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Behörde vernichtet Akten abgehörter Gespräche von deutschen Neonazis.
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Berlin. Banal kommt die Erklärung des deutschen Innenministeriums im Behördensprech daher, von einer "fristgerechten Sammelanordnung für Löschungsfälle nach Ablauf der Speicherfrist" ist die Rede. Tatsächlich ist es der nächste gravierende Fehltritt in der sogenannten "Konfetti-Affäre" um die für zehn Morde verantwortliche Neonazi-Zelle NSU: Sechs Abhörprotokolle der Telefonate von Rechtsextremisten wurden im November 2011 gelöscht - nur wenige Tage nach Auffliegen der Terroristen.
"Fassungslos" sind die Mitglieder des Untersuchungsausschusses zum Nationalsozialistischen Untergrund im Bundestag ob dieser Aktion, SPD-Abgeordnete Eva Högl spricht gar von einem "einzigen Skandal". Parteiübergreifend fordern die Mandatare, Akten mit Bezug zur rechtsextremen Szene bis zum Ende der Untersuchungen nicht mehr im Reißwolf landen zu lassen - ohne zu wissen, dass eine entsprechende Verordnung seit Anfang Juli existiert. Begonnen haben die Kalamitäten unmittelbar nach Auffliegen des NSU, als ein Referatsleiter des Geheimdienstes Dossiers über Verbindungspersonen eigenmächtig schredderte. Der nunmehrige Lapsus wirft ein bezeichnendes Licht auf weiter chaotische Zustände beim Verfassungsschutz.
Fehlstart für neuen Chef
Für Ordnung - und in späterer Folge wohl auch eine Neustrukturierung des Geheimdienstes - soll der neu bestellte Chef Hans-Georg Maaßen sorgen. Er folgte am Mittwoch auf Heinz Fromm, der angesichts des "Konfettiregens" seinen Rücktritt eingereicht hatte. Der Einstand von Maaßen ist jedoch gründlich misslungen: Der Akademische Rat der Freien Universität Berlin verweigert ihm die Ernennung zum Honorarprofessor, berichtet "Spiegel Online". Das Gremium hält dem Juristen seine Vergangenheit vor; 2002 sorgte Maaßen mit einem Gutachten für die Legitimierung der damaligen rot-grünen Koalition, den jahrelang unschuldig einsitzenden Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz bei Freilassung nicht einreisen zu lassen. Maaßens damaliges Gutachten ist heute für Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unangenehm: Er gilt als Förderer des 50-Jährigen.