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Konflikt um Osterweiterung

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Die EU-Osterweiterung muss von "Abfederungsmaßnahmen" in den Bereichen Umwelt, Verkehr und Grenzlandförderung begleitet sein, waren sich Bundeskanzler Schüssel und EU-Kommissär Verheugen gestern einig. Die Opposition schießt sich mittlerweile immer heftiger auf die Erweiterungspolitik der Regierung ein. Kritik kam auch von Kardinal König.


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Zwei Stunden dauerte das Gespräch zwischen EU-Erweiterungskommissär Günter Verheugen, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Bei der nachfolgenden Pressekonferenz wurde gegenseitiges Einvernehmen demonstriert. Bundeskanzler Schüssel betonte die "historische Wichtigkeit" des EU-Osterweiterungsprojekts vor allem für Österreich, das damit ins "Herz" der EU vorrücke. Der Kanzler unterstrich -die Bedeutung einer "gemeinsamen" Förderung der österreichischen Grenzgebiete, um etwaige Negativeffekte abzufedern.

Problem Temelin

Die geplante Inbetriebnahme des grenznahen Kernkraftwerks Temelin nannte Schüssel "ein echtes Problem." Die Vorgangsweise Tschechiens in dieser Frage fände "ohne Rücksicht auf nachbarschaftliche Beziehungen statt", so der Kanzler. Man habe Verheugen gebeten, in dieser Angelegenheit nochmals in Prag vorstellig zu werden. Schon die Erwirkung einer "Nachdenkpause" hätte positive Effekte.

In der Frage des freien Personenverkehrs zwischen Österreich und den Beitrittsstaaten -Stichwort Pendlerproblem- sprach sich Schüssel für "flexible Lösungen und Übergangsfristen" aus.

Ab 2002 erweiterungsfähig

Günter Verheugen versicherte im Anschluss, dass die EU "Sorgen und Ängste" in der österreichischen Bevölkerung "nicht wegwischen" werde. Geschwindigkeit dürfe nicht die Qualität der Erweiterung schmälern. Prinzipiell sei die EU ab Ende 2002 erweiterungsfähig. Ob die ersten Beitritte just zu diesem Zeitpunkt erfolgen werden, hänge nicht mehr von der EU, sondern den Werberländern ab. Bei der von Schüssel angesprochenen "Pendlerproblematik" angekommen, ließ Verheugen leichte Dissonanzen anklingen. Er sprach sich zwar für "flexible und intelligente" Übergangsfristen aus, warnte aber gleichzeitig davor, das Problem "überzudramatisieren." Wie die Erfahrung lehre, sinke die Migrationsbereitschaft nach Erweiterungen. Auch seien die Reformstaaten daran interessiert, ihr Personal zu halten.

Harsche Kritik an der Linie der Bundesregierung zur EU-Osterweiterung kam von der Opposition: SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer bezweifelte, ob es die Regierung mit der Erweiterung "überhaupt ernst meint." Vetodrohungen gegen gegen Nachbarstaaten und Beschimpfungen des Staatspräsidenten von Slowenien seitens des Bundeskanzlers ließen Zweifel aufkommen, so der SPÖ-Chef. Außerdem warf Gusenbauer der Regierung "nostalgische Mitteleuropa-Großmacht-Allüren" vor, die auf die Beitrittsländer als geplante Verbündete eher abstoßend wirkten.

König über Busek: "Aufgeklärter Absolutismus"

Auch der Wiener Alt-Erzbischof, Kardinal Franz König, stellte die Art und Weise, wie derzeit um die EU-Erweiterung verhandelt wird, grundsätzlich in Frage. Die Vorgangsweise des Erweiterungsbeauftragten der Bundesregierung, Erhard Busek bezeichnete die Vorgangsweise der Bundesregierung in Sachen EU-Osterweiterung als "eine Art aufgeklärten Neoabsolutismus" nach dem Motto: "Wir wissen, was für euch gut ist."