Erika Steinbach (CDU) ist derzeit wohl die meistgehasste Deutsche in Polen. Die "blonde Bestie" gilt dort - zu Unrecht - als Revanchistin. Hintergrund: Die 65-jährige Musikerin und Informatikerin, einst selbst Kriegsflüchtling, betreibt als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) seit zehn Jahren unermüdlich die Idee eines "Zentrums gegen Vertreibungen". | Nun steht sie endlich knapp vor dem Ziel - die Stiftung ist gegründet, das Zentrum beschlossene Sache; da legt Polen Veto ein gegen ihre Nominierung in den Stiftungsrat und fährt schweres Geschütz auf: Polen müsse seine Versöhnungspolitik korrigieren und bilaterale Treffen absagen, droht der Deutschlandbeauftragte des polnischen Ministerpräsidenten, Wladyslaw Bartoszewski.
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Am Mittwoch zog der BdV die Nominierung Steinbachs zurück, um keinen billigen Vorwand dafür zu liefern, dass die Stiftung "auf den letzten Metern" verhindert wird. Doch die Stelle im Stiftungsrat soll demonstrativ unbesetzt bleiben. Damit hat sie Bundeskanzlerin Merkel die Entscheidung zwischen guten Beziehungen zu Polen und ihr abgenommen.
Eines der grausamsten, aber totgeschwiegenen Kapitel des letzten Jahrhunderts ist die Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat: Die Zahl der Opfer allein in Europa wird von Historikern auf 80 Millionen geschätzt, darunter fast 14 Millionen Deutsche. Mehr als 30 europäische Völker sind betroffen. Obwohl Vertreibungen und Zwangsdeportationen seit der Haager Landkriegsordnung (1907), den Nürnberger Prozessen (1945) und dem UNO-Pakt gegen Völkermord (1948) verboten sind.
Ohne die Täter nachträglich zu Opfern zu stilisieren, soll nun endlich an das Leid der Betroffenen erinnert werden. Unterstützung erhält das Projekt vor allem von Merkel. Bereits 2002 hatte die CDU das Zentrum in ihr Regierungsprogramm und 2006 Steinbach in den Vorstand aufgenommen. Auch in der SPD, die eigentlich das rot-grüne Konkurrenzprojekt eines "Netzwerks Erinnerung und Solidarität" unterstützt, finden sich Befürworter; ferner der jüdische Historiker Julius H. Schoeps, der Historiker Lothar Gall, der jüdische Journalist Ralph Giordano und nicht zuletzt der Erste UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Jose Ayala Lasso. Dazu kommen Wissenschafter und und Journalisten aus Ungarn, Polen, Schweiz und Israel.
2005 vereinbart die große Koalition, "im Geiste der Versöhnung auch in Berlin ein sichtbares Zeichen" zu setzen und "an das Unrecht von Vertreibungen zu erinnern und Vertreibung für immer zu ächten", sagt Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).
Am 19. März 2008 nimmt das "Sichtbare Zeichen" per Kabinettsbeschluss konkrete Formen an: Im "Deutschlandhaus" in Berlin-Kreuzberg soll eine Dauerausstellung eingerichtet werden. Dazu kommen ergänzende Wechselausstellungen und ein Dokumentations- und Informationszentrum, in dem auch Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden. Die Initiatorin des Projektes sieht seiner Verwirklichung allerdings von außen zu.