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Wenn sich im normalen Leben ein 80-Jähriger und ein 43-Jähriger öffentlichkeitswirksam um eine Trophäe streiten, empfiehlt sich Abwarten als erfolgversprechendste Strategie für den Jüngeren. Zumal, wenn der Ältere die spannendere Biografie und den höheren Newswert auf seiner Seite hat. Doch bekanntlich verliert alles Neue bald seinen Reiz. Oder um es mit Konfuzius zu sagen: "Erzürne nicht, setze Dich ans Ufer des ruhigen Flusses und warte, bis die Leichen Deiner Feinde vorbeitreiben."
Heinz-Christian Strache hat nur keine Zeit; das heißt: Eigentlich hätte er sie schon, er ist ja schließlich erst 43 Jahre alt; er hat sie nur nicht in diesem Jahr, in dem gleich fünf Wahlen - darunter die Nationalratswahl im Herbst - die politischen Gewichte auf Jahre neu verteilen.
Übt sich der FPÖ-Obmann also in Geduld und befolgt die konfuzianische Variation von "Abwarten und Tee trinken", wird ihm der 80-jährige Frank Stronach seinen schönen Plan durchkreuzen, die Regierungsparteien bei den Wahlen das Fürchten zu lehren und dann den eigenen Machtanspruch zu formulieren - rhetorisch wenigstens, falls das Wahlergebnis anderes nicht zulässt.
Strache ist nun zum Handeln gezwungen. Aufräumarbeiten sind nach den Niederlagen in Niederösterreich und Kärnten angesagt. Der FPÖ-Chef wird sich zweifellos gegen die renitenten Landesgruppen durchsetzen, in St. Pölten eher früher, in Klagenfurt entsprechend der delikaten Gemengelage eher später. Die Partei kann es sich nicht leisten, ihr stärkstes, tatsächlich ihr einziges Aushängeschild zu beschädigen; Kratzer am Siegerimage werden aber bleiben.
Die wären, für sich genommen, für Strache zu verschmerzen, hätte er ein schlüssiges Konzept zur Abwehr von Stronachs Angriff auf das FPÖ-Revier der Protestwähler. Einfach nur die Lautstärke oder Radikalität der Forderungen zu steigern, wird nicht genügen, damit die Enttäuschten aller Lager erneut bei der FPÖ ihr Kreuz machen. In der Politik nämlich - von Ausnahmesituationen, wie sie in Griechenland oder Italien herrschen, abgesehen - gilt: je radikaler die Position, desto geringer der Zulauf. Auch Strache braucht so etwas wie eine vage Vermutung von Mäßigung für Wahlerfolge.
Stronach treibt den FPÖ-Chef nun in die Gegenrichtung. Das ist Straches momentan größtes Problem.