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"König Bibi" will so schnell wie möglich wieder an die Macht

Politik

Israels Ex-Premier Netanjahu dürfte Möglichkeit eines Comebacks als Druckmittel in Prozess begreifen. Sorge vor Flaggenmarsch in Jerusalem.


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Dass er nicht leise gehen wird, hat Benjamin Netanjahu schon deutlich gemacht, noch bevor in der Knesset über das von Jair Lapid und Naftali Bennett angeführte Acht-Partei-Bündnis abgestimmt wurde. "Wenn es unser Schicksal ist, in Opposition zu gehen, dann werden wir das erhobenen Hauptes machen, bis wir die Gelegenheit haben, diese Regierung zu Fall zu bringen", sagte der längstdienende Premierminister Israels vor seiner Anhängerschaft. "Wir sind bald wieder da".

Tatsächlich steht die neue Koalition, die in erster Linie das Ziel eint, das Land ohne "König Bibi" zu regieren, nur mit einer hauchdünnen Mehrheit da. Bei der Abstimmung am Sonntag setzte sich das Anti-Netanjahu-Allianz bei einer Stimmenthaltung mit 60 zu 59 Stimmen durch. Sollte es dem Likud-Chef also gelingen, zwei Abgeordnete aus dem überaus fragilen Bündnis - neben linken und hart rechten Parteien ist auch eine arabisch-islamistische Liste mit an Bord - herauszusprengen, dann wären die nächsten Neuwahlen wohl unumgänglich.

Beschränkter Einfluss

Allerdings ist auch Netanjahus Zukunft ungewiss: Seit Mai 2020 steht er in mehreren Fällen wegen Korruption, Betrugs und Untreue vor Gericht. Der heute 71-Jährige war der erste Regierungschef Israels, der während seiner Zeit im Amt angeklagt wurde.

Nach israelischem Recht genießt ein Ministerpräsident keine Immunität, er muss aber auch nicht zurücktreten oder während des Prozesses seine Aufgaben ruhen lassen. Nach seiner Abwahl durch die Knesset kann Netanjahu, dem insgesamt zehn Jahre Haft drohen, nun aber auch nicht mehr versuchen, als Regierungschef das Immunitätsrecht zu seinen Gunsten zu ändern. Als Abgeordneter und neuer Oppositionschef verfügt er nicht mehr über den nötigen Einfluss, um eine Gesetzesänderung anzustoßen.

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Netanjahus Bereitschaft, weiter in der Politik zu bleiben, dürfte dennoch mit dem Prozess zusammenhängen, sagt der Direktor des Forschungszentrums Israel Democracy Institute, Yohanan Plesner. Der ehemalige Premierminister wolle "weiterhin als Angeklagter auftreten, der über politische Macht verfügt", mit der "Aussicht, wieder Regierungschef zu werden", sagt der Experte. Laut Plesner glaubt Netanjahu, "dass dies ihm ein Druckmittel gegen die Richter und den Generalstaatsanwalt verschafft".

Die Staatsanwaltschaft wirf dem 71-Jährigen vor, seine Macht missbraucht zu haben, um sich eine wohlwollende Berichterstattung in den Medien zu sichern. Außerdem sollen er und Angehörige Geschenke wie Champagner, Schmuck und Zigarren im Wert von 180.000 Euro angenommen haben - im Austausch gegen Gefälligkeiten und finanzielle Vorteile. Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf mehr als 300 Zeugenaussagen. Netanjahu weist die Vorwürfe dagegen zurück und sieht sich als Opfer einer politischen "Hexenjagd". Immer wieder versuchte er, der Strafverfolgung zu entgehen. Als Regierungschef arbeitete er darauf hin, die Macht der Gerichte zu beschränken und das Immunitätsrecht zu seinen Gunsten zu ändern. Der Prozess vor dem Jerusalemer Bezirksgericht könnte sich über Jahre hinziehen. Ein Schuldeingeständnis, wie es in Israel oft praktiziert wird, um einen Freispruch in schwerer wiegenden Anklagepunkten oder eine geringere Strafe auszuhandeln, hat der Ex-Ministerpräsident bereits öffentlich ausgeschlossen.

Auf die neue Regierung wartet jedenfalls schon ihre erste Bewährungsprobe. So wollen am Dienstag etwa 5.000 jüdische Nationalisten im Rahmen eines Flaggenmarsches durch die Jerusalemer Altstadt ziehen. Der Marsch, der von Palästinensern als sehr provokativ angesehen wird, führt auch durch das muslimische Viertel. Die zwei größten Palästinenser-Organisationen Fatah und Hamas riefen zu einem "Tag des Zorns" auf. (rs)