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Kaum ein Skelett wurde bisher so genau untersucht wie das des englischen Herrschers Richard III.
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Leicester. Der englische König Richard III. regierte von 1483 bis 1485. Er war der letzte Monarch aus dem Hause York, das in den Rosenkriegen mit dem Haus Lancaster die weiße Rose im Wappen führte. Seit Jahrhunderten wird er als blutrünstiger Unhold auf dem Königsthron gesehen. Das verdankt er William Shakespeare. Ob Shakespeare es mit der historischen Wahrheit sehr genau nahm, ist freilich zweifelhaft. Zu seiner Zeit regierte die Tudor-Dynastie, die mit Richards blutigem Ende an die Macht gekommen und sicher an einer negativen Darstellung des einstigen Widersachers interessiert war. Im Stück tritt dieser aber nicht nur charakterlich mies auf, sondern auch als hässlicher, buckliger, deformierter Hinkender.
Zumindest über die körperlichen Eigenheiten von Richard III. gewinnt die Wissenschaft ständig neue Erkenntnisse. Die jüngsten davon wurden gerade im Fachjournal "The Lancet" veröffentlicht. Ein Gerichtsmedizinerteam um Bruno Morgan von der Universität Leicester stellte dafür physische und computergenerierte Nachbildungen des königlichen Rückgrats her, gestützt auf CT-Scans und 3D-Drucke der Knochen. So konnten die Forscher Richards Skelett genau untersuchen. Vor allem interessierte sie, wie weit der Zustand seiner Wirbelsäule sein Erscheinungsbild beeinträchtigte.
Die Untersuchung bestätigte frühere Analysen, wonach Richard III. an Skoliose litt, einer seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule. Mutmaßlich handelte es sich um die "idiopathische Adoleszentenskoliose". Sie tritt erst ab dem 11. Lebensjahr auf. Der König sei dadurch körperlich nur leicht deformiert gewesen, meint Studienautor Piers Mitchell vom Departement für Archäologie und Anthropologie der Universität Cambridge: "Sein Rumpf dürfte im Verhältnis zu den Gliedmaßen etwas kurz und seine rechte Schulter etwas höher als die linke gewesen sein. Doch maßgeschneiderte Kleidung und eine gut angepasste Rüstung könnte die optische Wirkung davon minimalisiert haben." Laut Ko-Autor Jo Appleby, Bioarchäologe an der Universität Leicester, hat Richards Skoliose ihn kaum an körperlichem Training gehindert: "Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Richard sichtbar hinkte, denn er hatte eine gut ausbalancierte Wirbelsäulenkrümmung, und die Knochen der unteren Gliedmaßen waren symmetrisch und gut geformt."
Das Skelett von Richard III. wurde 2012 unter einem Parkplatz in Leicester entdeckt und durch DNA-Vergleich mit einem heute lebenden Verwandten und eine Radiokarbonuntersuchung identifiziert. Von kaum einer historischen Persönlichkeit wurden die Knochen bisher so genau erforscht. Im Februar 2013 wurde die Rekonstruktion seines Gesichtes präsentiert. Sie war unter Leitung von Caroline Wilkinson von der schottischen Universität Dundee entstanden. Es handle sich um ein "interessantes Gesicht, jünger und voller, als wir es bisher gesehen hatten, weniger sorgenzerfurcht, und mit der Andeutung eines Lächelns", sagte Phil Stone von der Richard-III.-Gesellschaft, die sich um eine historische Neubewertung des Königs bemüht: "Ich glaube, die Leute werden es mögen. Es ist ein Mann, der gelebt hat."
Traumrolle für Schauspieler
Man hat auch herausgefunden, dass der König von Spulwürmern befallen war, gefährlichen Parasiten. Gestorben ist er aber in der Schlacht von Bosworth, bei Shakespeare nach den Worten "Mein Königreich für ein Pferd". Nackt ließen ihn seine Gegner als letzte Demütigung auf einem Pferd nach Leicester bringen, wo er in einer später zerstörten Franziskanerkirche bestattet wurde. Nun soll er nach einem monatelangen Gerichtsverfahren in der Kathedrale von Leicester seine letzte Ruhestätte finden. Versuche weitläufiger Verwandter, eine Beisetzung in der Kathedrale von York zu erreichen, sind gescheitert.
Für Schauspieler bleibt König Richard III. eine Traumrolle. So freut sich der als "Sherlock" Furore machende britische Mime Benedict Cumberbatch schon sehr darauf, für eine TV-Produktion in diese Figur zu schlüpfen und "diesen komplexen, amüsanten und gefährlichen Charakter zum Leben zu erwecken". Und auch der "Sherlock"-Partner von Cumberbatch, Martin Freeman, tritt Ende dieses Jahres im Londoner Westend als Richard III. auf.