Zum Hauptinhalt springen

König Stoiber wankt, aber er ist noch nicht gefallen

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Die SPD hat es rasch geschafft. Franz Müntefering geht doch in die geplante Regierung, in nur zwei Tagen wurde ein neuer Vorsitzender gefunden, und die von der Parteirechten als "Königsmörderin" apostrophierte Andrea Nahles hat sich in die zweite Reihe zurück gezogen, um auf für sie günstigere Zeiten zu warten. Der Schock hat die SPD zu einer einheitlichen Linie gezwungen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Von so rascher Bereinigung des angerichteten Flurschadens ist die CSU noch weit entfernt. Das lange Taktieren Edmund Stoibers - zuerst zögerte er, nach Berlin zu gehen, jetzt kehrt er Hals über Kopf zurück in die bayerische Heimat - ist ihm weder bei seinen Wählern noch bei seinen Parteikollegen gut bekommen. Selbst treue CSU-Anhänger aus den ländlichen Gemeinden sehen in dem Hin und Her ein "Kaschperltheater", wie der bayrische Rundfunk dokumentieren musste.

Der CSU-Landtagsabgeordnete Freiherr von Rotenhan bezeichnete stellvertretend für viele die Lage seiner Partei schlicht als "beschissen". Er stellte sogar in Frage, dass Stoiber 2008 noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren wird.

Die Nachfolgekandidaten, die sich schon jetzt um Stoibers Erbe in Bayern duellierten, warten zunächst einmal ab. Zwar räumte Innenminister Günther Beckstein, der sich ebenso wie Staatskanzleichef Erwin Huber Hoffnungen gemacht hatte, ein, dass "wir im Moment suboptimal" dastehen, meinte aber, "nach dem Gewitter strahlt die Sonne noch stärker".

Die Diadochen wissen, dass der König noch nicht tot ist. Sie kennen die Überlebensqualitäten des Polit-Profis Stoiber, der diese nun allerdings unter Beweis stellen muss. Huber und Beckstein haben in der Nachfolgediskussion eine größere Öffnung und bessere Diskussionskultur innerhalb der Partei versprochen. Stoiber muss jetzt auf die damit angesprochenen Defizite in der CSU eingehen. Eine erste Gelegenheit hat er dazu während der dreitägigen Reise zum Papst, der ihn und die 150-köpfige Landtagsdelegation am Donnerstag in Rom empfing.

Die Phase, die Stoiber zur Beruhigung seiner Partei benötigt, wird die designierte Kanzlerin Angela Merkel freuen, ist sie doch damit beschäftigt, die von den Personaldiskussionen überschatteten Koalitionsverhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

Sollte die Regierung mit der SPD zustande kommen, wird sie es freilich wieder mit Edmund Stoiber zu tun bekommen. Gerade um sein angekratztes Image aufzupolieren, wird sich der Parteichef aus München wieder mit zahlreichen Zurufen bemerkbar machen. Und das könnte sich angesichts der CSU-Minister in Berlin als ebensolches Hindernis für die Regierungsarbeit erweisen wie die nur vorläufig beruhigte SPD.