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Nepals König Gyanendra hat die Regierung entlassen und den Ausnahmezustand ausgerufen. Die gesamte Staatsmacht liegt nun in seinen Händen. In der Hauptstadt Kathmandu marschierten Truppen auf, Panzerwagen mit Maschinengewehren patroullierten auf den Straßen. Das Telefonnetz wurde abgeschalten, der internationale Flughafen geschlossen.
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Zu einem riskanten Kraftakt griff der König gestern in dem seit Jahren das Land lähmenden Machtkampf zwischen ihm selbst, den politischen Parteien im Parlament und einer immer stärker werdenden maoistischen Rebellenbewegung. "Im Interesse des Volkes, des Landes und der Verteidigung der Souveränität löse ich das Parlament kraft der verfassungsgemäßen Rechte der Krone auf", sagte Gyanendra gestern in einer halbstündigen Fernsehansprache. Die Regierungskoalition unter Ministerpräsident Sher Bahadur Deuba habe es nicht geschafft, sich mit der Guerilla zu einigen und die für April versprochene Parlamentswahl vorzubereiten. Damit hat Gyanendra zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren die Regierung abgesetzt und sich selbst zum Machthaber erklärt. Den ihm unterstehenden nepalesischen Streitkräften räumte der König Sondervollmachten ein. Der Ausnahmezustand, mit dem alle grundlegenden Bürgerrechte auf Eis gelegt werden, gelte bis auf weiteres, erklärte er. Seit Dienstag müssen sich zudem die Medien staatlicher Zensur unterwerfen, berichteten nepalesische Journalisten.
Regierung: "Staatsstreich"
Soldaten haben die Residenz des Premierministers und die Häuser anderer Regierungsmitglieder umstellt, was für diese einen De-facto-Hausarrest zur Folge hat. Deuba kündigte Widerstand gegen seine Absetzung an. Er warf dem König eine "schamlose Verletzung der Verfassung" und "anti-demokratische Maßnahmen" vor. Der ebenfalls davon betroffene Vorsitzende der Kommunistischen Partei Nepals, Madhav Nepal, verurteilte den Schritt des Königs als "Staatsstreich".
In einer ersten internationalen Reaktion ortete die indische Regierung einen massiven Rückschritt für die Entwicklung der Demokratie in Nepal. Es bestehe nun eine "direkte Konfrontation zwischen der Krone und den etablierten politischen Parteien" erklärte das Außenministerium in Neu Delhi. Das ebenfalls an Nepal angrenzende China erklärte, bei der Entlassung der Regierung handle es sich um eine "interne Angelegenheit" des Landes.
Große Herausforderung
"Wir haben beschlossen, eine Regierung unter meiner Führung zu bilden", sagte Gyanendra. Diese werde innerhalb der nächsten drei Jahre eine funktionierende Demokratie und Frieden schaffen.
Analysten sind uneins über die Erfolgschancen dieses Plans. Während die einen in seiner direkten Machtausübung die letzte Chance auf einen Weg aus dem Patt zwischen der Krone, dem Parlament und den Maoisten sehen, beschwören die anderen die Wiedereinsetzung des seit Oktober 2002 entmachteten Parlaments für die Wiederherstellung der Demokratie.
Bereits damals hatte der König eine Regierung unter Deuba wegen "Unfähigkeit" abgesetzt. Nachdem zwei königstreue Ministerpräsidenten dann ebenfalls keine Verhanlungserfolge mit den Rebellen erzielen konnten, wurde Deuba im Juni vergangenen Jahres reinstalliert. Doch die Maoisten lehnten jeden Kontakt mit ihm ab und bestanden auf dem König selbst als Ansprechpartner, statt dessen Marionette, wie sie den Premier bezeichneten.
Der Erfolg des in der Bevölkerung wenig beliebten Monarchen wird nun davon abhängen, ob er die bewaffneten Maoisten, die bereits weite Teile des Landes kontrollieren, an den Verhandlungstische zurückholen und seinem bürgerkriegszerstörten Land eine Art Frieden bringen kann. Die Gespräche werden allerdings schwierig. Die Rebellen wollen schließlich nichts weniger als die Monarchie abschaffen.