Was sich schon heuer äußerst positiv für den Finanzminister auswirkt, könnte andererseits die Unternehmen gefährden, stellten gestern SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, aber auch WK-Präsident Christoph Leitl und Wifo-Experte Gerhard Lehner die Nachhaltigkeit des Nulldefizits in Frage. Gefordert werden dringend Maßnahmen zur Konjunkturbelebung.
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Schon ein Jahr früher als geplant wird die Regierung ihr Ziel - das Nulldefizit - erreichen, also schon Ende 2001. Grund dafür ist vor allem die gesteigerte Zahlungsmoral der Unternehmen. Diese haben bereits 28 Mrd. an Steuervorauszahlungen geleistet, anstatt der budgetierten 15 Mrd. Schilling, wie die "Wiener Zeitung" berichtete. Das Zauberwort heißt Anspruchsverzinsung, die mit Gültigkeitsdatum 1. Oktober eingeführt wurde. Seither wird bei der Einkommenssteuer die Differenz der vierteljährlichen Vorauszahlungen und dem laut Steuerbescheid zu leistenden Steuerbetrag mit 5,25 Prozent verzinst. Dem guten Konjunkturjahr 2000 entsprechend haben sich also viele Firmen beeilt, die Zahlungen pünktlich oder sogar ein Mehr zu leisten.
Genau in diesem Vorgehen sieht die SPÖ die Gefahr. Anstatt es dem Finanzminister zu geben, bräuchten die Unternehmen in Zeiten des Konjunktureinbruchs und der steigenden Arbeitslosigkeit mehr Geld, um zu investieren. Gusenbauer forderte daher eine "pragmatische Wirtschaftspolitik" zur Konjunkturbelebung und zur Sicherung des Arbeitsmarktes.
Die Regierung fahre einen "völlig falschen Kurs", so Gusenbauer und erinnerte an das Versprechen einer "Vollbeschäftigung ohne Schulden" von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Vorjahr. Vielmehr sei man von einer Vollbeschäftigung wieder um 25.000 Arbeitslose mehr weit entfernt.
Fünf Maßnahmen sieht der SPÖ-Chef als Ausweg: Die für die EU-Erweiterung nötige Infrastrukturoffensive müsse vorgezogen werden. Kleine und mittlere Einkommen müssten schon 2002 durch eine "sozial gerechte Steuerreform" mit einem Volumen von rund 30 Mrd. Schilling entlastet werden, um die Kaufkraft im Land zu stärken. Weiters müsse der Investitionsfreibetrag befristet für 2002 wieder eingeführt werden, um die Unternehmen zu Investitionen zu motivieren. Mit einem Liquiditätsfonds könnte ein Gutteil der zu erwartenden Konkurse von Klein- und Mittelbetrieben vermieden werden. Überdies müsste das SPÖ-Modell für einen Bildungsbonus umgesetzt werden, um Requalifikation zu sichern, forderte Gusenbauer.
Auch Leitl sieht den erzielten Erfolg "ganz überwiegend auf der Einnahmenseite" und setzt auf ähnliche Maßnahmen. Eine Trendwende hänge aber von Einsparungen auf der Ausgabenseite ab. Überdies drängte auch er zur Belebung der Konjunktur.
Für Lehner ist es "sehr überraschend", dass schon heuer das Nulldefizit erreicht wird. Mit der dadurch geringeren Zinsbelastung habe man sich einen gewissen Polster für das kommende Jahr geschaffen.
Als "alte Politik, die Probleme schafft, statt sie zu lösen", wies ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat die SPÖ-Vorschläge zurück und verbuchte die bereits eingeleitete Infrastrukturoffensive auf das Konto der ÖVP. Die Forderung nach einem befristeten Investitionsfreibetrag sei "unausgegoren". Ihr FPÖ-Pendant Karl Schweitzer betonte, die Regierung betreibe keinen Sozialabbau, sondern habe "ganz im Gegenteil die Lebensqualität der Bevölkerung entscheidend verbessert".
Finanzminister Karl-Heinz Grasser selbst gab in Sachen Steuersenkung das Ziel vor, bis 2010 die Abgabenquote auf unter 40 Prozent zu senken, was eine Entlastung von 100 Mrd. Schilling für die Bevölkerung bedeuten würde.