Laut Wifo wird Österreich beim strukturellen Defizit immer weiter von den EU-Vorgaben abweichen.
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Wien. Es geht bergauf, zumindest lässt der flüchtige Blick in die Zukunft eine Besserung erkennen. Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2018 soll nach Berechnungen des Wifo die heimische Wirtschaft jedes Jahr ein bisschen mehr wachsen.
Doch erstens ist dieses bisschen mehr immer noch gering, und zwar zu gering, um als gute Nachricht durchzugehen, und zweitens fällt die mittelfristige Prognose im Vergleich zu 2014 signifikant schlechter aus. Ging das Wifo damals noch von einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von rund 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2018 aus, reduzierte sich diese Annahme für den selben Zeitraum auf 1,15 Prozent.
Aus dieser pessimistischen Erwartung lassen sich für die Politik nicht grundlegend neue Handlungsempfehlungen herauslesen, der Fokus liegt ohnehin bereits auf wachstumsfördernden Maßnahmen. Allerdings sind die Möglichkeiten auf nationaler Ebene schon weitgehend ausgeschöpft, die Hoffnung ruht auf dem Investitionsprogramm des neuen EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker.
Ungewisse Steuerreform
Sehr wohl könnte sich für die österreichische Regierung aber eine Notwendigkeit für neue Einsparungen ergeben, da sich das strukturelle Defizit laut Wifo nicht so entwickeln wird, wie die EU dies vorschreibt. Für 2015 wird sogar ein strukturelles Minus von 1,4 Prozent des BIP prognostiziert, Brüssel verlangt 0,7.
"Daran schrammen wir nicht unbeträchtlich vorbei, allerdings sind es natürlich nur Annahmen", sagt Budgetexperte Hans Pitlik vom Wifo. Das Finanzministerium baut zwar seine Berechnungen auf jenen des Wifo auf, hat aber beispielsweise noch Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer eingestellt. Ob diese jedoch ab 2016, wie geplant, sprudeln werden, ist äußerst fraglich.
Die Steuerreform ist eine
weitere Ungewissheit, deren mögliche Auswirkungen nicht in den Zahlen des Wifo enthalten sind. Sollten sich die Regierungsparteien auf eine große steuerliche
Entlastung der Arbeit einigen, wird diese aber wohl nicht ausschließlich aus dem Steuersystem heraus gegenfinanziert. Die ÖVP lehnt "neue Steuern" sogar (fast) gänzlich ab.
Auch im SPÖ-Modell sind strukturelle Maßnahmen enthalten, um die Steuerreform zu finanzieren. Was bedeutet das aber, wenn auch weitere strukturelle Einsparungen notwendig sind, um die Vorgaben aus Brüssel zu erfüllen? "Dann müsste man eben an anderer Stelle einsparen", erklärt Klaus Weyerstraß vom IHS. Und da schon im April die aktualisierten Budgetdaten an die EU-Kommission geschickt werden müssen, könnte sich für die Regierung weiterer Diskussionsbedarf ergeben. Neben der Gegenfinanzierung der Steuerreform also auch eine Debatte über neue Einsparungen oder neue Einnahmen, um das strukturelle Defizit wieder auf Linie zu bringen?
Berechnungsproblem
Es gibt noch eine andere Option: Die EU schnürt den Fiskalpakt in manchen Bereichen wieder auf. Das ist zwar derzeit nicht wahrscheinlich, allerdings sind die konjunkturellen Prognosen auch in anderen Mitgliedsstaaten nicht sehr rosig. "Österreich ist in der EU sicher nicht das Sorgenkind", sagt Pitlik. Er verweist auch auf ein generelles Problem bei der Berechnung des strukturellen Budgetsaldos. Deren Ziel ist ja die um Einmaleffekte und Konjunkturkomponenten bereinigte Darstellung der Ausgaben- und Einnahmenstruktur der staatlichen Haushalte.
In Zeiten der Krise, wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wird diese Entwicklung jedoch nicht herausgerechnet, obwohl sie ebenso konjunkturell bedingt ist. Eine steigende Arbeitslosigkeit erhöht also automatisch das strukturelle Defizit eines Staates, weshalb dieser in weiterer Folge sparen muss. "Diese Berechnung sorgt dafür, dass man in den Abschwung hineinsparen muss", sagt Pitlik. Diese prozyklische Wirtschaftspolitik sei "eigentlich nicht gewollt", so der Budgetexperte.
Die USA hatten sich in der Krise fiskalpolitisch anders verhalten als Europa und konnten damit mittlerweile auch ihre Konjunkturdaten deutlich nach oben schrauben. Ein Vergleich ist allerdings aufgrund der nationalstaatlichen Struktur der Europäischen Union schwer.
Sollten sich die mittelfristigen Prognosen aber auch in anderen Ländern deutlich eintrüben, wird die EU-Kommission nicht umhin kommen, sich Alternativen zur strikten Ahndung von Defizit-Verstößen zu überlegen. Zumal der Druck aus Mitgliedsstaaten steigen könnte, mehr budgetäre Spielräume zuzulassen. Am Beispiel Österreich: Vor einem Jahr hieß es in der Wifo-Prognose noch, dass ab 2016 die Arbeitslosigkeit wieder fallen wird. Nun wird der Höhepunkt von 9,4 Prozent für 2018 vorhergesagt. Für das Jahr der Nationalratswahl.