Home-Sharing-Plattformen versus traditionelle Beherbergung: Regulation, Information und Zeit als Grundsteine eines Win-win.
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Home-Sharing-Plattformen wie Airbnb oder 9flats brüsten sich mit ihren Vorteilen gegenüber der etablierten Hotellerie: Die Wohnraumnutzung könne unkomplizierter, kostengünstiger und ressourcenschonender gestaltet werden. Dabei ist Sharing an sich nichts Neues, da die gemeinsame Nutzung von Gegenständen in Büchereien oder der Landwirtschaft lange Usus ist. Neu ist allerdings die zentrale Rolle der Technik und Infrastruktur.
Durch die Digitalisierung kam es in kürzester Zeit zu einem Sharing-Boom, der wiederum die traditionelle Hotellerie aufrührte. Es wurden rechtliche Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit von Vorschriften aus der Gewerbeordnung für die digitalen Konkurrenten laut (Gewerbeberechtigung, Hygienevorschriften), sowie Wettbewerbsnachteile verortet. Umsatzeinbußen befürchtet die Hotellerie vor allem bei zahlungsschwächeren Kunden und bringt ihre Bedenken gegenüber disruptiven Unterkunftsplattformen gerne öffentlich und lautstark zum Ausdruck. Diese Umstände erzeugten auch bei der Stadt Wien als Regulator Resonanz.
Wien könnten bis zu21 Millionen Euro entgehen
In der Tat unterstreichen Studien der Technischen Universität und der Wirtschaftsuniversität Wien die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Home Sharing in Wien. So betrugen die Bruttoeinnahmen allein aus der Vermietung über Airbnb im Jahr 2017 etwa 81 Millionen Euro. Dies entspricht rund 10 Prozent des gesamten Wiener Nächtigungsumsatzes. Der öffentlichen Hand könnten bis zu 21 Millionen Euro an Einnahmen aus Steuern und Abgaben entgehen. Hinzu kommt mancherorts auch das Risiko der Wohnraumverknappung und steigender Mieten. Außerdem zeigt sich, dass seit dem Anstieg kurzfristiger Vermietungen vermehrt Nachbarschaftskonflikte auftreten. All diesen Externalitäten kann durch regulatorische Maßnahmen begegnet werden.
Angestoßen von der Rebellion seitens der Wirtschaft und im Bewusstsein möglicher volkswirtschaftlicher und rechtlicher Spannungen, setzte sich der Regulator in Wien früh mit Home Sharing auseinander. Bereits 2015 begann die Stadt Wien, unter Einbeziehung unterschiedlicher Akteure und Interessenverbände, die Vor- und Nachteile von Home Sharing abzuwiegen. Dabei wurden bestehende Regularien bezüglich ihrer "digitalen Fitness" unter die Lupe genommen, Anpassungsvorschläge ausgearbeitet und umgesetzt.
Bietet man über eine Onlineplattform seine Wohnung oder sein Zimmer in Wien kurzfristig an, gibt es bereits eine Vielzahl an Regelungen zu beachten: Eigentumswohnungen dürfen laut Oberstem Gerichtshof (OGH 5b 59/14h) nur dann für touristische Zwecke vermietet werden, wenn alle Eigentümer im Haus zustimmen. Zudem sind Vermieter verpflichtet, Daten der Gäste monatlich an die Gemeinde zu übermitteln, sowie jeden Gast in ein Gästeverzeichnis einzutragen oder bei der Meldebehörde anzumelden. Selbstverständlich müssen die Mieteinnahmen auch versteuert und die Ortstaxe an die Stadt Wien entrichtet werden. Weiters kann eine Gewerbeberechtigung notwendig sein, insbesondere dann, wenn mehr als zehn Fremdenbetten angeboten werden.
Vermieter agierenoft mit Pseudonym
Nach der aktuellen Rechtslage ist mit dem Vermieten über Onlineplattformen schon ein beträchtlicher Aufwand verbunden. Betrachtet man jedoch die Angebotslage auf Onlineplattformen, so dürften all diese Regelungen keine allzu großen Barrieren oder gar Abschreckungen für Vermieter darstellen.
Dabei ist aber gut möglich, dass passionierte Anbieter, für die der "Sharing"-Gedanke zählt, sich gar nicht über ihre gesetzlichen Pflichten im Bilde sind. Denn Airbnb wirbt mit Zuverdienstmöglichkeiten, wonach durch eine Zweizimmervermietung in Wien ein zusätzliches Einkommen von 1500 Euro erzielt werden könne. Darüber hinaus mangelt es an sanktionellen Durchgriffsrechten, wobei eine Anfrage bei der Stadt Wien zur genauen Lage bezüglich solcher Durchgriffsrechte leider unbeantwortet blieb. Erfahrungen der Senatsverwaltung in Berlin zeigten, dass für den Regulator rein über Online-Recherche kaum verwertbare Informationen über Vermieter erlangt werden können, da viele User mit einem Pseudonym auf der Plattform agieren. Daher bemühen sich viele Städte darum, mit Home-Sharing-Plattformen über verpflichtende Datenübermittlungen zu verhandeln, um etwa die Abführung der Ortstaxe sicherzustellen.
Ist das Projekt Regulation von Home Sharing also gescheitert? Keineswegs. Unsere Forschung belegt, dass der städtische Regulator seit Jahren im Diskurs mit den Bezugsgruppen im Ökosystem steht und bemüht ist, diesen fortzuführen. Schrittweise wird daran gearbeitet, die "digitale Fitness" in der Regulation anzugehen und den Bedenken einzelner Akteure Raum zu geben. Dieser Raum gibt die Möglichkeit, unterschiedliche Positionen und Handlungsoptionen aufzuzeigen und abzuwägen.
Platz für Innovationund Entwicklung entsteht
Aus der Organisationsforschung wissen wir, dass Neuerung immer auch mit Reibung verbunden ist. Ein sachlicher Diskurs zwischen den Akteuren kann zu einer Win-win-Lösung führen. Tatsächlich ist der Diskurs von Home Sharing in Wien aktuell trotz Unstimmigkeiten und anhaltender Debatten weniger hitzig als zuvor. Starre Branchenstrukturen im Beherbergungswesen werden aufgeweicht, und es entsteht Platz für Innovation und Entwicklung. Durch den Diskurs wird Raum für Veränderung und Zeit dafür geschaffen, Verständnis für Neues zu entwickeln.
Verfolgt man die Berichterstattung, so bekommt man zwar den Eindruck, es geht vorwiegend immer noch darum, Stellung zu beziehen und Argumente auszutauschen. Tatsächlich geht es um den Umgang mit der Realität. Auf der wirtschaftlichen Seite ist strategisches Handeln angesagt, während die Politik einen rechtlichen Rahmen für neue Entfaltungsmöglichkeiten in der digitalen Gesellschaft zu schaffen hat.
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