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Konkurrenz für Ratingagenturen: EU-Rechnungshof wäre gerüstet

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft
Der Europäische Rechnungshof in Luxemburg - Österreichs Vertreter Harald Wögerbauer.

Österreichs Vertreter Wögerbauer will Monopol der großen Agenturen brechen.


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Brüssel. Der Europäische Rechnungshof (EuRH) sieht sich gerüstet, um den großen Ratingagenturen Konkurrenz zu machen. Den drei Agenturen Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch, die sich mehr als 80 Prozent des weltweiten Marktes aufteilen, wird vorgeworfen, politisch zu urteilen und die Eurozone bei der Bonitätsbewertung viel härter anzupacken als die USA. Die Europäische Kommission hat zaghafte Anläufe unternommen, um mit einer europäischen Agentur Bewegung in den Markt zu bringen - das Vorhaben tritt aber auf der Stelle.

Jetzt lässt Harald Wögerbauer, Österreichs Vertreter im EuRH-Präsidium, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" aufhorchen: Er schlägt vor, dass das Prüfgremium die Funktion einer europäischen Konkurrenz übernehmen könnte. Der EuRH wäre unabhängig und würde zudem nicht Gefahr laufen, in Interessenkonflikte zu geraten.

Darin sehen Experten ein Manko der Europäischen Zentralbank: Diese würde über zwar über die nötige Kompetenz für Ratings verfügen, hat aber selbst hunderte Milliarden Euro an Staatsanleihen in den Büchern. Eine Agentur mit privatem Eigentümer wiederum hätte erneut geschäftliche Interessen - und einer Institution mit öffentlichen Stakeholdern würde es an Glaubwürdigkeit mangeln.

Wögerbauer räumt ein, dass es dem EuRH an Erfahrung mit Ratings mangelt. "Das kann man aber aufbauen", sagt er. Schon jetzt würden Prüfungen im Bankenbereich durchgeführt, die Ratingkompetenz könne man auch zukaufen. Fehlende Akzeptanz fürchtet er nicht: "Die erhält man nicht von heute auf morgen. Aber das hängt von der Qualität und Unabhängigkeit der Agentur ab und entscheidet der Markt."

Als großen Erfolg wertet Wögerbauer unterdessen, dass der Europäische Rechnungshof laut jüngsten Vertragsentwürfen umfassende Kontrollrechte über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) erhalten wird. Dieser soll schon 2012 den Eurorettungsschirm EFSF ablösen.

Beim EFSF lag die Prüfung allein in der Hand einer privaten Kanzlei, PricewaterhouseCoopers. Der EuRH hatte keine Kompetenz, weil der Rettungsschirm auf einer Vereinbarung zwischen den Regierungen basierte. Da im Rechnungshof alle EU27-Staaten vertreten sind, gab es bei den Euroländern zudem Bedenken, dass unter anderem die Briten an der Kontrolle mitreden würden.

Zwar wird auch der ESM über einen völkerrechtlichen Vertrag - und somit an den EU-Institutionen vorbei - installiert. Dennoch wird es nun eine Kontrollmöglichkeit geben. Das ESM-Leitungsgremium, der Gouverneursrat, ernennt ein fünfköpfiges "Board of Auditors". Dessen einzig ständiger Vertreter und Vorsitzender wird aus dem EuRH berufen. Die weiteren Mitglieder rotieren im Drei-Jahres-Turnus; zwei aus der Privatwirtschaft, zwei aus den Rechnungskontrollbehörden der Eurostaaten (wohl der großen Geberländer).

Dieses "Board of Auditors" wird unter anderem die Finanzierungsrisiken des ESM und die Wirtschaftlichkeit unter die Lupe nehmen und jährlich an den ESM-Gouverneursrat berichten. Damit erhalten die nationalen Parlamente und Rechnungshöfe der ESM-Mitgliedstaaten Einsicht in die Dokumente und Berichte. Auf Umwegen können so auch dem EU-Parlament Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.

EU für mich: Europäischer Rechnungshof