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Könnte stürmisch werden

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Das unbedeutende Waidhofen an der Ybbs hält einige beunruhigende Botschaften für die Politik bereit.


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Man muss sich hüten, aus einer Gemeinderatswahl in einer Gemeinde mit etwas mehr als 11.000 Einwohnern irgendwelche Trends für die Region, das Land, geschweige denn die Republik abzuleiten. Zudem gilt: Gemeinderatswahlen sind Struktur- wie Persönlichkeitswahlen.

Trotzdem fällt es einigermaßen schwer, das Wahlergebnis in der niederösterreichischen Stadtgemeinde Waidhofen an der Ybbs einfach zu ignorieren, weil praktisch alles an diesem Urnengang weit über den Einzelfall hinausweist. Und sämtliche dieser Signale sind dazu geeignet, den etablierten Parteien schlaflose Nächte zu bereiten.

Das beginnt mit den 17 Stimmenprozent, welche die Anti-Corona-Maßnahmen-Partei "MFG" aus dem Stand erobern konnte, und endet mit dem Verlust von fast 20 Prozentpunkten für die ÖVP. Zwar stimmt, dass der neuen Partei noch fast alles für einen bundesweiten Erfolg fehlt, aber das Wichtigste hat sie: ein Thema mit Emotionen.

Die Mängel fallen nicht ins Gewicht, solange es reicht, dass sie bei Wahlen antritt, egal mit welchen Köpfen, und einfach den Frust und die Wut der Menschen über die Corona-Maßnahmen einsammelt. Aus heutiger Sicht spricht alles dafür, dass die neue Protestpartei mit der Pandemie wieder verschwinden wird; aber bis dahin hat sie das Zeug, die Machtstellung der etablierten Parteien durcheinanderzuwirbeln. Als Nächstes bei den Tiroler Gemeinderatswahlen Ende Februar, dann bei der niederösterreichischen Landtagswahl, die spätestens zu Beginn 2023, womöglich aber schon im heurigen Herbst stattfindet.

Niederösterreich ist das Machtzentrum der alten wie der neuen ÖVP, das galt auch für Sebastian Kurz und gilt noch viel mehr für Karl Nehammer; Letzterer wurde noch dazu in der niederösterreichischen Volkspartei politisch sozialisiert und hat in ihr seine wichtigste Stütze. Es ist nicht davon auszugehen, dass Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die eine hauchdünne absolute Mandatsmehrheit zu verteidigen hat, tatenlos dabei zusehen wird, sollte eine fortgesetzt schlingernde und erratische Bundesregierung und Bundes-ÖVP ihre Machtstellung im Land unter der Enns gefährdet. Zuvor aber könnte es noch in der Tiroler ÖVP rundgehen.

Die immer wieder wiederholte Hypothese, dass jede Regierung in jedem Land für ihre Corona-Politik abgestraft werde, ist übrigens bereits mehrfach widerlegt; eben erst eroberte der sozialistische Premier in Portugal eine absolute Mandatsmehrheit. Die Wähler haben zumeist ein intaktes Gespür für den Unterschied zwischen unvermeidlichen und vermeidlichen Fehlern ihrer Regierenden.