Frächterstreik gegen teuren Diesel droht ganz Spanien lahmzulegen. | Nach Todesfällen Front verhärtet. | Madrid/Lissabon. Zuckendes Blaulicht erhellt die nächtlichen Straßen von Barcelona. Zwei Polizeimotorräder und ein Streifenwagen vorn, zwei Tanklastwagen und dann zwei Streifenwagen hinten. So abgesichert fahren normalerweise Gefahrguttransporte höchster Sicherheitsstufe, doch diesmal geht es eigentlich nur darum, zwei "trockene" Tankstellen mit Diesel und Benzin zu versorgen.
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Seit Wochenbeginn ist in Spanien nichts mehr normal. Denn die Lkw-Fahrer streiken wegen der hohen Dieselpreise und der niedrigen Frachttarife. Und um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, wollen sie laut eigenen Angaben das ganze Land lahmlegen. Die Tankstellen spürten - auch wegen des Hamster-Tankens der privaten Autofahrer - Engpässe schon ab Montagabend.
An rund der Hälfte aller Tankstellen in Katalonien bekam man bereits nach dem ersten Tag des Lastwagenfahrerstreiks am Dienstagmorgen weder Benzin noch Diesel. Viele Spanier begrüßen einander statt mit dem gewohnten "Que tal?" ("Wie geht es dir?") bereits mit "Has po-dido repostar?" ("Hast du noch tanken können?") Vor allem Diesel ist knapp geworden, denn die meisten in Spanien zugelassenen Pkw haben Dieselmotoren. In Madrid drohte am Mittwoch der totale Tank-Kollaps. Und ab Donnerstag, so wurde befürchtet, könnten auch Frischwaren wie Gemüse, Fisch, Fleisch und Obst in den Supermärkten knapp werden.
Denn 160 Kilometer nördlich von Barcelona, am Autobahn-Grenzübergang La Junquera, geht für Lastzüge so gut wie nichts mehr. Auf beiden Seiten der Grenzstation haben Hunderte spanische und französische Lkw-Fahrer die Autobahn mit ihren Sattelzügen blockiert. Personenwagen dürfen passieren, rund 2500 Lastwagen sitzen allerdings fest. Versucht ein Streikbrecher, mit seinem 30-Tonner durchzukommen, so fliegen Steine in die Windschutzscheibe.
Gespräche gescheitert
Mit der Ordnung ist es auch rund um Madrid vorbei. Da helfen kein Blaulicht und keine aufgeregt winkenden Guardia-Civil-Beamte in ihren grünen oder Nationalpolizisten in blauen Uniformen. Die Lastwagen stehen dicht an dicht und lassen nur eine schmale Gasse für Personenautos. Das selbe Bild bietet sich in Valencia, Bilbao und anderen größeren Städten Spaniens.
Zusätzlich verschärft hat sich die Situation noch durch den Tod von zwei Streikposten. Im südspanischen Atarfe erlitt ein Mann tödliche Verletzungen, als er einem Kleinlaster den Weg zu einem Großmarkt versperren wollte. In Mittelportugal wurde ein Streikender bei Zibreira von einem Lastwagen überrollt, den er per Stoppschild anhalten wollte. Der Lkw-Fahrer wurde zwar festgenommen, die Stimmung hat sich aber weiter zugespitzt.
So verließen die spanischen Spediteursverbände, die die Lkw-Fahrer zu einem unbefristeten Streik aufgerufen hatten, am Mittwoch die Verhandlungsrunde mit der Regierung. "Der Streik fängt jetzt erst richtig an", sagte ein Frächter-Sprecher. Vor den beiden Todesfällen hatte die spanische Regierung noch gehofft, durch höhere Frachttarife und Steuernachlässe eine rasche Einigung mit den Spediteursverbände zu erzielen.
In die angespannte Stimmung mischen sich aber jedenfalls bereits die ersten Stimmen, die für ein hartes Vorgehen plädieren. "Wenn nötig, setzen wir auch Gewalt ein", sagt Joan Boada, Generalsekretär im katalonischen Innenministerium.
In Spaniens Lebensmittel-Großmarkt Nummer eins, dem "Mercamadrid", bleibt man jedoch nicht nur deswegen gelassen. "Aufgrund unserer hohen Lagerkapazität halten wir einen Streik wochenlang aus", versichert Salvador Santos Campano, Präsident der Handelskammer.
Was allerdings mit Sicherheit knapp wird, ist frischer Fisch. Denn in allen Häfen vom Golf von Biskaya am Atlantik bis zu Barcelona oder Valencia am Mittelmeer liegen Hochseefischer wie Kutter für küstennahen Fang in den Häfen. Auch die Fischer streiken wegen der hohen Kraftstoffpreise, die seit Jahresbeginn sowohl für Benzin als auch für Diesel um 20 Prozent gestiegen sind. Der Liter Super liegt bei 1,30 Euro, der Liter Diesel ist nur noch um fünf Cent billiger.