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Konstituierung · Farbenspiele im Hohen Haus

Von Alexandra Grass

Politik

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Die durch die Konstituierung des Nationalrats am 29. Oktober 1999 begonnene XXI. Gesetzgebungsperiode wird aller Voraussicht nach geprägt werden durch Farbenspielereien.

Aufgrund der neu entstandenen Kräfteverhältnisse im Nationalrat und das Brechen der Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungsparteien durch die Wahl vom 3. Oktober wird es einerseits zu mehr Kooperation

zwischen Parlament und den künftighin regierenden Parteien kommen müssen, um Verfassungsgesetze, die einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen, beschließen zu können.

Stimmen erobern

Andererseits werden sich die künftig regierenden Parlamentsparteien im Plenum zusätzliche Stimmen erobern müssen · das heißt sie müssen eine Verfassungsmehrheit im Parlament suchen.

Da dies naturgemäß nicht immer gelingen kann, wird aller Voraussicht nach die Anzahl der Verfassungsbestimmungen in dieser Legislaturperiode doch rückläufig sein.

Gemeinsamkeit Gebot der Stunde

Gemeinsamkeit heißt offenbar das Gebot der Stunde. Diese forderte auch Bundespräsident Thomas Klestil beim traditionellen Empfang der Abgeordneten nach der Sitzung ein: "Ein stärkeres Maß an

Gemeinsamkeit bei der Bewältigung der politischen Aufgaben", wünscht sich Klestil.

Auch SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka will das "Gemeinsame bewahren und entwickeln". Dies werde angesichts der neuen Kräfteverteilung notwendig sein, meinte er und plädierte außerdem für eine "neue

Kultur im Parlament".

FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner sieht als Auftrag aus der Wahl, "dass wir uns mehr als Volksvertreter sehen" und weniger als Vertreter von Interessensvertretungen, die "nicht demokratisch

legitimiert sind".

ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel hält einen "neuen gesellschaftlichen Konsens" und einen "neuen politischen Stil" für notwendig.

Angelobung und Wahl des Präsidiums

Bei der konstituierenden Sitzung, die erstmals mit der Bundeshymne eröffnet wurde, wurden die 183 Mandatare angelobt · von denen 70 (davon 12 Regierungsmitglieder) dem bisherigen Nationalrat nicht

angehört haben · sowie das Präsidium des Nationalrats gewählt. Für die XXI. Legislaturperiode wurde demnach Heinz Fischer (SPÖ) zum Nationalratspräsidenten, Thomas Prinzhorn (FPÖ) zum Zweiten und

Andreas Khol (ÖVP) zum Dritten Präsidenten gewählt.

Hitzige Debatte um Zweiten Präsidenten

Der Abstimmung der neuen Präsidenten war eine hitzige Debatte zuvorgegangen. Unumstritten waren die Kanidaturen von Fischer und Khol · nicht aber jene von Prinzhorn zum Zweiten Präsidenten. Die

Grünen nominierten hier eine Gegenkandidatin · Eva Lichtenberger.

Kostelka stellte klar, dass die SPÖ die parlamentarische Usance anerkennt, wonach jede Fraktion entsprechen ihrer Stärke einen Präsidentenkandidaten nominiert. Allerdings gebe es die "inhaltliche

Facette" der Aussage Prinzhorns über "Gratishormone für Ausländer", aus der "die Absicht herausleuchtet, Angst zu schüren und die Minderwertigkeit von Ausländern zum Ausdruck zu bringen". Österreich

habe mit solchen Haltungen "keine guten Erfahrungen" · und deshalb solle Prinzhorn "in aller Deutlichkeit im Interesse des Nationalrates, des Präsidiums und öffentlich" eine Klarstellung vornehmen.

Bis Tags darauf hat Prinzhorn noch überlegt und schließlich bedauert, die Hormon-Aussagen "nicht so gemeint" zu haben. Und weiter: Allerdings sei es "eben ein Faktum, dass dort der kostenlose Zugang

vorhanden ist".

FPÖ-Klubobmann Scheibner wies Thomas Prinzhorn an als einen Menschen, der "ein Unternehmen mit 2.500 Mitarbeitern führt und deshalb auch mit uns Abgeordneten fertig werden wird".

Wolfgang Schüssel hielt Scheibner entgegen, es sei nicht Aufgabe eines Präsidenten, "mit Abgeordneten fertig zu werden", sondern den Vorsitz objetiv zu führen. Prinzhorn habe jedoch die Unterstützung

der ÖVP, so Schüssel. Der Klubobmann zeigte sich aber "betroffen" darüber, wie im Wahlkampf "Emotionen bewusst aufgezeizt" worden seien. Es dürfe keinen "Mantel des Schweigens und kein Totstellen

mehr" geben · und diesem Konsens sollten sich alle Parteien anschließen, betonte Schüssel.

"Heute keine Stimme für den freiheitlichen Kandidaten, wäre ein Signal dieser Republik, um den Wahlkampf vergessen zu machen", appellierte der Grüne Klubobmann Alexander Van der Bellen.

Fremdenfeindlichkeit und nationalsozialistische Äußerungen seien wieder "salonfähiger" geworden, "die Einzelfälle häufen sich". Dafür sei die FPÖ zwar nicht allein verantwortlich, aber sie habe

Mitverantwortung wegen ihres Wahlkmapfs mit "indirekter Anspielung auf den latenten Antisemitismus", so der Grüne.

140 · 93 · 139

Fischer erhielt letztendlich 140, Prinzhorn 93 und Khol 139 Stimmen. Eva Lichtenberger, die Alternativ-Kandidatin zu Prinzhorn, erhielt 33 der Abgeordnetenstimmen. Der alte und somit neue

Nationalratspräsident Heinz Fischer betonte nach seiner Wiederwahl, dass in der neuen Gesetzgebungsperiode auf Entscheidungen des Nationalrats mit "noch größerem Interesse" geblickt werden wird als

in der vergangenen Legislaturperiode. Die Verantwortung des Parlaments für die "Weiterentwicklung des politischen Systems" sei damit gewachsen. "Neue Wege" müssten daher nicht nur in der

Zusammenarbeit aller politischen Entscheidungsträger gefunden werden, sondern auch in der Erhöhung der Qualität der politischen Arbeit und in inhaltlicher Sicht, sagte der Nationalratspräsident.

Dank zum Abschluss

Zum Abschluss dankte Heinz Fischer den ausgeschiedenen Mitgliedern des Hohen Hauses und nannte dabei "stellvertretend für alle" den langjährigen Zweiten Präsidenten, Heinrich Neisser (ÖVP).

Darüber hinaus sprach er dem früherem Dritten Präsidenten, Willi Brauneder (FPÖ), für seine "korrekte und sachliche Mitarbeit" in der Präsidialkonferenz den Dank aus.

"Sehr herzlich" dankte er auch der Chefin des Liberalen Forum, Heide Schmidt, für ihre Tätigkeit im österreichischen Nationalrat.Õ