Man stelle sich vor: Ein Auto macht Mätzchen und bleibt schließlich stehen. Doch anstatt nach den Ursachen der Havarie zu suchen, wird einfach der Fahrer ausgetauscht. Aber nicht irgendwer soll ans Steuer und den Karren wieder flottmachen, sondern - wenn schon, denn schon - am besten gleich der Konstrukteur des Wagens. Seltsam, nicht?
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Genau das hat US-Präsident Barack Obama diese Woche gemacht: Mit der Ernennung von General David Petraeus zum Oberkommandierenden in Afghanistan hat er den (Mit-)Erfinder jener US-Strategie, die am Hindukusch derzeit nicht funktioniert, mit der Lenkungsaufgabe betraut.
Als sie vor neun Jahren in Afghanistan einmarschierten, rechneten die USA und ihre Verbündeten noch mit einem raschen Erfolg. Doch sehr schnell wurde klar: Mit militärischen Mitteln allein ist das Land nicht zu befrieden. Also verlegte man sich auf die Strategie der "Counterinsurgency" ("Aufstandsbekämpfung"): die Eindämmung der Gewalt durch eine Kombination von militärisch-technischen und diplomatisch-politischen Mitteln, wobei die Zivilbevölkerung unbedingt zu schonen ist.
Diese von Petraeus mitentwickelte Doktrin hatte im Irak ganz gut funktioniert. Also sollte sie auch in Afghanistan den Umschwung bringen. Nur ist Afghanistan nicht der Irak: Die zwei Länder sind ökonomisch, ethnisch, religiös oder auch kulturell grundverschieden.
Und noch etwas war anders: Im Irak funktionierte die "Counterinsurgency"-Strategie nur in Kombination mit einer massiven Aufstockung der US-Truppen in den Jahren 2006 und 2007. In Afghanistan soll nach dem Willen des US-Präsidenten eigentlich das Gegenteil passieren: Die GIs, die Ende 2009 noch aufgestockt wurden, sollen ab Juli 2011 in ihre Heimat zurückkehren.
Exakt hier liegt der Unterschied für den Oberkommandierenden: Im Irak hat die Petraeus-Strategie unter militärisch günstigen Bedingungen funktioniert, in Afghanistan ist sie unter weniger guten Voraussetzungen zum Reparaturfall geworden. Und Petraeus selbst soll jetzt vom Fahrersitz aus auch noch den Job des Mechanikers machen.
Was für ihn spricht: Er verfügt nicht nur über exzellente Verbindungen zu Politik und Medien in Washington, sondern er kennt sich tatsächlich wie kein Zweiter im Getriebe von US-Auslandseinsätzen aus. Falls er scheitert, bliebe ein Wrack zurück: In unserer Eingangsgeschichte wäre es nur ein Auto - in der Realität leider tragischerweise Afghanistan.*