Unser aktueller Konsum ist eine Überdosis für unseren Planeten. Aber wir können gegensteuern.
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Es ist keine große Neuigkeit: Wir konsumieren zu viel. Viel zu viel. Regelmäßig kommen neue Berechnungen heraus, die besagen, dass wir in Westeuropa zwei bis drei Planeten verbrauchen. Was das heißt? Wir leben kollektiv auf zu großem Fuß, die Ressourcen der Erde reichen nicht aus, um unsere Ansprüche zu decken. Doch was sind eigentlich für einzelne Personen die größten Klimakiller? Die Antwort lautet auch hier: Wir konsumieren zu viel. Fast schon egal, was.
Wir haben zu viele Haushaltsgeräte daheim: Österreichweit befinden sich in den Haushalten insgesamt 27 Millionen Elektrogeräte, vom Stabmixer bis zur Waschmaschine, vom Fernseher bis zum Haarfön. Jeder Österreicher und jede Österreicherin besitzt nicht nur ein Handy, sondern im Durchschnitt 1,26. Laut der Umweltschutzorganisation Global 2000 erzeugen diese Geräte rund 8 Prozent der jährlichen österreichischen Treibhausgas-Emissionen. Wir kaufen zu viel, und wir achten zu wenig auf Reparierbarkeit der Geräte. Die Lebensdauer der Geräte wird immer kürzer - und die Industrie steht im Verdacht, dies bewusst zu forcieren, um mehr verkaufen zu können (Stichwort: Obsoleszenz).
Zweitauto, Zweitfernseher, Zweitwohnsitz
Ähnlich verhält es sich bei Kleidung, zeigt eine Umfrage von Greenpeace: Im Schnitt besitzt jede Österreicherin und jeder Österreicher 85 Kleidungsstücke (Frauen signifikant mehr als Männer), das sind hochgerechnet auf ganz Österreich mindestens 547 Millionen Teile. Jedes achte davon, landesweit etwa 72 Millionen Teile, wird sehr selten oder gar nicht getragen. Die Hälfte der Befragten gibt an, Kleidung auszusortieren, wenn etwa Oberteil oder Hose nicht mehr gefällt - selbst wenn das Stück keine Mängel hat. Das meiste davon landet dann in erster Linie im Müll. Dennoch kaufen wir ständig neue Kleidung.
Die durchschnittliche Wohnfläche ist in den vergangenen Jahren signifikant angestiegen, und der Trend geht durch zunehmenden Wohlstand immer mehr in Richtung Zweitauto, Zweitfernseher, Zweitwohnsitz. Dieser Konsum ist so etwas wie der Katalysator des Klimawandels. Wir müssen uns wieder zurücknehmen - doch wie soll das gehen, wo wir doch bitte unseren Lebensstil nicht einschränken wollen, weil - sorry - ein Fernseher reicht nicht. Man braucht natürlich einen in jedem Zimmer. Immer auf Standby.
Doch jetzt einmal ernsthaft: Wie kann man sein Leben und seinen Alltag klimafreundlich gestalten, ohne gleich autofrei auf einen Vierkanter im Südburgenland zu ziehen, wo man sich selbst einen Brunnen gräbt, Obst und Gemüse anbaut und im Optimalfall auch noch Schafe hält, aus deren Wolle - natürlich selbst gesponnen - man die Wintergarderobe strickt? In jüngster Zeit liest man immer öfter die gleiche Geschichte: vom Klima-Saulus zum Klima-Paulus. Menschen, die beginnen, auf ihren ökologischen Fußabdruck zu achten und einander gegenseitig darin übertrumpfen wollen, möglichst alles richtig zu machen. Sie schaffen es, keinen Abfall zu produzieren, werfen die Obstschalen in die eigens gezimmerte Wurmkiste, und etwas anderes als Bio-Hanf darf nicht an ihre Haut.
Diese Menschen haben etwas komplett richtig verstanden: Wir müssen umweltfreundlicher leben, und somit auch umweltfreundlicher konsumieren. Vegan leben verkleinert den persönlichen Fußabdruck, und auch ein Zero-Waste-Lifestyle ist erstrebenswert, will man einen kleinen Teil beitragen.
Zero-Waste-Lifestyle als neue Zielgruppe für die Wirtschaft
Natürlich ist auf Industrie und Wirtschaft Verlass: Anhänger veganer Zero-Waste-Lifestyles - und auch jene, die einfach nur begonnen haben, ihren eigenen Konsum wenigstens ein bisschen zu hinterfragen - sind als neue Zielgruppe identifiziert worden. Der man - richtig geraten - wieder etwas verkaufen kann. Und zwar nicht mit gutem Weil-ich-es-mir-wert-bin-Gewissen, sondern mit einer ganz großen Portion miesem Gefühl. Kein einziger Otto Normalverbraucher und keine einzige Ottilie Normalverbraucherin wird es schaffen, durch ihren Konsum den Klimawandel aufzuhalten. Doch das müssen sie ja nicht wissen! Nein, besser, man erklärt ihnen, dass sie bitte die gesamte Verantwortung des Klimawandels auf ihre Schultern nehmen sollen. Damit sie sich so richtig schlecht fühlen, wenn sich einmal etwas "Klimaunfreundliches" nicht vermeiden lässt. Denn dann kann man ihnen den dritten Thermosbecher für den Coffee-to-go leichter einreden. Und kann verschleiern, dass man selbst als produzierende Industrie eigentlich an einem viel größeren Hebel sitzt. Besser den Leuten weiter Zeug andrehen. Gegen den Klimawandel hilft halt nicht, wenn man zwar bessere Produkte, aber immer noch gleich viel kauft. "Verzicht" ist das Zauberwort.
Erst kürzlich wurde auf der Website der Online-Videothek "Films for Action", ein beeindruckender Überblick präsentiert: Es sind nur rund 100 Menschen, die unseren Planeten ruinieren. Würden diese 100 Menschen ihr beruflichen Entscheidungen in Zukunft auf Grundlage der Prämisse, dass es den Klimawandel aufzuhalten gibt, treffen - es würde sich massiv etwas ändern. Auf der Liste ist übrigens auch OMV-Chef Rainer Seele.
Doch halt, ganz so schwarz-weiß ist die Sache auch nicht. Es kann nicht darum gehen, in ein apologetisches "Ich kann doch eh nichts ändern"-Weinen zu verfallen. Natürlich kann jede und jeder Einzelne etwas tun. Doch was ist am effektivsten? Im Grunde sind es vier Verhaltensänderungen, die das persönliche CO2-Konto signifikant verkleinern können:
1.Iss weniger Fleisch - oder am besten gar keines mehr
Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, nicht mehr als drei Portionen zu 100 bis 150 Gramm Fleisch pro Woche zu essen. Doch pro Kopf essen wir in Österreich (und auch in anderen europäischen Ländern) das Dreifache. Der Fleischkonsum hat jedoch nicht nur ungesunde Auswirkungen auf unsere eigenen Körper, sondern auch auf die Umwelt: Ein Tier, das geschlachtet werden soll, muss erst einmal gefüttert werden. Für die Produktion der Futtermittel für Masttiere geht mehr als die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche der EU drauf. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass allein die Nutztierhaltung weltweit für fast 15 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist - Tendenz rasant steigend. Es wird Zeit, dass wir zum guten alten Sonntagsbraten zurückkehren - und zwar nur am Sonntag, wenn überhaupt.
2.Verschrotte dein Auto - und bestell nicht so viel online, das dir dann erst ein Auto liefert
Laut dem Umweltbundesamtist seit 1990 im Verkehrssektor eine Zunahme der Treibhausgase um rund 74 Prozent zu verzeichnen. Das liegt vor allem am Lkw-, aber auch am privaten Personenverkehr. Es gibt Alternativen, von A nach B zu kommen, die weitaus umweltfreundlicher sind, als alleine in einem Auto im Stau zu stehen: Bus, Bahn, Rad, Öffis. Die Abhängigkeit vom Auto ist aber besonders auf dem Land oft sehr hoch - hier gilt es, die Menschen, die vom Auto abhängig sind, nicht zu verteufeln, sondern sich zu überlegen, wie man diese Abhängigkeit beenden kann. Auch Carsharing oder Fahrgemeinschaften verringern den persönlichen Fußabdruck bereits ordentlich.
3.Steig nicht mehr
ins Flugzeug
In Schweden ist gerade "Flygskam" das große Modewort: Flugscham. Es ist peinlich und ein unangenehmes Gefühl, wenn man in den Flieger steigt. Zu Recht: Ein einziger Kurzstreckenflug emittiert durchschnittlich so viel CO2 wie ein regelmäßig genutztes Auto in einem ganzen Jahr. Der Verzicht aufs Fliegen ist wahrscheinlich der größte Hebel zur Verkleinerung der persönlichen CO2-Bilanz.
4.Kauf Kleidung und deine Elektrogeräte weniger und bewusster
Die britische Modedesignerin und Punk-Ikone Vivienne Westwood brachte es auf den Punkt: "Buy less. Choose well. Make it last." Frei übersetzt bedeutet das: Kauf weniger, achte auf Qualität und Haltbarkeit. Der besondere Fokus muss hier auf dem ersten Punkt liegen: Kauf weniger. Jedes einzelne Stück in unserem Besitz, dessen Lebensdauer man verlängert, bedeutet, dass der Bedarf für ein Ersatzprodukt später entsteht - egal, ob man die Winterjacke dann eben so lange trägt, bis sie wirklich kaputt ist, oder die Küchenmaschine zur Reparatur bringt, statt gleich eine neue zu kaufen.
Gemeinsam klimafreundlicher konsumieren
Auch wenn es sich anders anhören mag: Jede/r von uns kann klimafreundlicher konsumieren. Aber niemand von uns muss die Verantwortung für den Untergang des Planeten allein auf sich nehmen. Doch je mehr Menschen wir in unserem Umfeld motivieren, ihren eigenen Konsum wirklich zu hinterfragen, und je mehr wir zum Schluss kommen, dass Verzicht der eigentliche Gewinn ist, desto eher können wir etwas verändern.
Doch das Wichtigste kommt am Schluss: Niemand ist persönlich ein schlechter Mensch, wenn er oder sie nicht alles korrekt erfüllen kann. Niemand ist der Klima-Arsch, wenn man zwar nicht fliegt, aber hin und wieder aufs Auto nicht verzichten kann. Es ist wie in der Medizin: Die Dosis macht das Gift. Aber unser aktueller Konsum ist eine Überdosis für unseren Planeten.