Immer mehr Menschen in Europa sind sich der schädlichen Auswirkungen falscher Ernährung bewusst und versuchen ihre Essgewohnheiten dementsprechend zu ändern. Lebensmittelproduzenten haben den Trend längst erkannt und ihre Produktpalette angepasst. Doch was auf Etiketten als "gesund" gepriesen wird, ist oft nicht mehr als reine Augenauswischerei. Die EU hat nun vor, diesen falschen Versprechungen per Verordnung einen Riegel vorzuschieben.
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Neben der Kommission will auch das EU-Parlament strengere Maßstäbe für Lebensmittel, die unter dem Überbegriff "functional food" auf dem Markt punkten wollen. So sollen Aussagen wie "Senkt das Herzinfarktrisiko" oder "Calcium kann die Knochendichte erhöhen" künftig einer weit genaueren Prüfung unterzogen und Scharlatanen das Handwerk gelegt werden.
Nach den Vorstellung der EU-Kommission, die sich des Themas bereits seit Mitte 2002 annimmt, sollen auch faktisch richtige Angaben wie etwa die Behauptung, ein Produkt sei zu "90 Prozent fettfrei", nicht mehr erlaubt sein. Denn dadurch würde ungerechtfertigt suggeriert, es handle sich um ein besonders fettarmes Produkt. Was bei zehn Prozent kaum der Fall sein kann.
Die österreichische EU-Abgeordnete Karin Scheele (SP) erklärt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung", womit Lebensmittelhersteller künftig rechnen müssen: Inhaltliche Messlatte für alle Aussagen über Lebensmittel müsse "die wahrscheinliche Erwartung des Konsumenten" sein, nicht die tatsächliche Richtigkeit. Probleme könnten Produzenten auch dann bekommen, wenn die Aussagen auf ihren Produkten zu allgemein gehalten sind, wie etwa: "Stärkt die Abwehrkräfte ihres Körpers" oder "ist gut für den Organismus".
Die jetzige Rechtslage der EU lässt "Gesundheitsprofiteuren" jedenfalls zu viel Spielraum. Unter Berufung auf den freien Warenverkehr hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das österreichische Lebensmittelgesetz als zu restriktiv befunden: Die Hersteller mussten sich "gesundheitsbezogene Werbung" beim Gesundheitsministerium genehmigen lassen. Diese Bestimmung wurde vom EuGH gekippt.
Bis die Konsumenten auf EU-Ebene vor unlauteren Anpreisungen geschützt sind, gelte es, diese österreichische Rechtslücke zu füllen, fordert jetzt der Verein für Konsumenteninformation (VKI). Dieser geht seit zwei Jahren gegen irreführende Werbung vor. Gemeinsam mit dem deutschen Schwesterverband vzbv wurden rund 200 Produkte und deren Bewerbung unter die Lupe genommen. Insbesondere hatten die Konsumentenschützer dubiose Versandfirmen im Visier. "Allein in Österreich wurden von 100 überprüften Produkten 40 wegen irreführender Angaben abgemahnt", berichtet VKI-Rechtsexperte Peter Kolba.
Doch die Strafen für unseriöse Werber sind moderat. Erst bei wiederholter Irreführung werden in Österreich höchstens 100.000 Euro fällig, in Deutschland sind es 250.000 Euro. Doch die Strafe allein reicht nicht, betont Kolba. Deshalb fordern VKI und vzbv EU-weit die Möglichkeit, den Gewinn, der dank der Werbelügen erzielt wurde, abzuschöpfen. Denn Täuschen dürfe sich nicht länger auszahlen.