Sonde "Schiaparelli" ist auf dem Mars gelandet - ob sie noch intakt ist oder beim Aufprall zerschmetterte, ist jedoch unklar.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Darmstadt/Wien. Die Vertreter der Europäischen Raumfahrtagentur ESA schienen einen halben Triumph für einen ganzen verkaufen zu wollen. Mit Nachdruck hoben sie beim Pressebriefing hervor, welche der am Vortag ausgeführten Manöver ein "großer Erfolg" waren. Die mit Spannung erwartete erste europäisch-russische Landung auf dem Roten Planeten war allerdings nicht wirklich einer.
Das Landemodul "Schiaparelli" war am Mittwochnachmittag nach sieben Monaten Flugzeit in die Mars-Atmosphäre eingetreten. Kurze danach kam es auf der Oberfläche des Wüstenplaneten auf. Zwar konnten die ESA und ihr Partner Roskosmos somit erstmals eine gemeinsame Sonde auf den Roten Planeten landen lassen. Doch niemand weiß, in welchem Zustand "Schiaparelli" ist. Ganz anders als erwartet sende sie nämlich keine Daten von der Oberfläche, teilten die Verantwortlichen am Donnerstagvormittag aus dem Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt mit. Es sei unklar, ob die kleine Sonde noch intakt sei oder nicht.
"Schiaparelli" ist ein Testmodul für die geplante Landung eines Roboters auf dem Roten Planeten im Jahr 2020. "Ein Testlauf kann gut laufen oder schief gehen", erklärte der Leiter der Planetenmissionen bei der ESA, Andrea Accomazzo: "Das wichtigste dabei ist, dass wir alle Daten der Landung zur Verfügung haben, um aus ihnen zu lernen."
Die Muttersonde "Trace Gas Orbiter" (TGO) habe Daten über den nahezu kompletten Sinkflug der Sonde zur Planetenoberfläche zur Erde übertragen. Das sechsminütige, vollautomatische Landemanöver, sei in weiten Teilen wie geplant abgelaufen. "Erst etwa 50 Sekunden vor dem Touchdown haben wir Kontakt zu ,Schiaparelli‘ verloren", sagte Accomazzo. Der Lander habe wie geplant die Schichten der Atmoshäre durchquert. Der Hitzeschild habe fehlerfrei funktioniert. Danach habe sich erwartungsgemäß der Fallschirm geöffnet, um die Fluggeschwindigkeit der Sonde abzubremsen. Auch der eigentliche Fallschirmflug sei exakt wie vorgesehen gelaufen. Erst beim Abwurf des Fallschirms habe es Unregelmäßigkeiten gegeben. "Ab diesem Zeitpunkt stimmen die Daten nicht mit unseren Erwartungen überein, so lange bis wir schließlich Kontakt mit der Sonde verloren, kurz bevor sie den Boden berührte", so Accomazzo. Somit ist ungewiss, unter welchen Bedingungen "Schiaparelli" nach ihrer ungeheuer strapaziösen Reise auf dem Mars aufgesetzt hat. "Von der Oberfläche haben wir überhaupt keine Daten, es gibt kein Signal."
Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit der die Sonde bei der Landung zu Brüche ging, wollte am Donnerstag niemand beziffern. "Wir werten derzeit die Dynamik der Landung aus. Erst danach können wir sagen, ob das Testmodul überlebt haben könnte oder nicht", erklärte Accomazzo. Er zeigte sich überzeugt, dass die Vorgänge in der letzten Landephase des Testmoduls wenigstens rekonstruiert werden könnten, "da habe ich keine Zweifel".
In den nächsten Tagen soll die europäische Sonde "Mars Express", die seit 2003 über dem Roten Planeten kreist und sich derzeit in der größten Nähe zu "Schiaparelli" befindet, nach Signalen lauschen. Sollte die Sonde schweigen, wollen die ESA-Ingenieure versuchen, vom Boden aus zu intervenieren. Das Testmodul hat einen Empfänger, über den der Bordcomputer erreicht werden kann. In jedem Fall ist Eile geboten, da die Batterien des Geräts maximal zehn Tage halten.
Was offenbar geklappt hat, ist ein anderer Teil der Exomars-Mission. Der Forschungssatellit TGO, der "Schiaparelli" zum Nachbarplaneten der Erde mitgenommen hatte und sie dann zur Landung entkoppelte, schwenkte auf die geplante Umlaufbahn um den Mars ein. Schon in den kommenden Wochen soll das Raumschiff Spurengase in der Atmosphäre des Roten Planeten analysieren. Bis 2022 soll er dort unter anderem nach Methan suchen, das von biologischem Leben stammen könnte. "Das ist ein großer Erfolg", wertete ESA-Chef Jan Wörner die Ergebnisse. "Exomars ist auf mehrere Jahre angelegt, um nach Hinweisen auf Gase von biologischem Leben zu suchen. Diesen Teil können wir nun zu 100 Prozent erfüllen. TGO ist bereit für seine Forschungsmission. Der Satellit ist ein Grundpfeiler der Exomars-Mission 2016 und 2020, und wir sind sehr gut aufgestellt", betonte der ESA-Chef.
Noch fehlt ein Betrag von 300 Millionen Euro
Ob die Mitgliedstaaten der ESA es auch so optimistisch sehen, muss sich weisen. Für die Experten bei ESA und Roskosmos hängt jedenfalls viel vom Erfolg des jetzigen Teils der Mission ab. Es ist nicht nur die erste gemeinsame MarsMission in der Geschichte beider Raumfahrtagenturen, sondern auch finanziell wäre das Erreichen des jetzigen ersten Etappenziels sehr hilfreich. Das Projekt, für das die ESA 1,3 Milliarden Euro ausgegeben hat und an dem sich Roskosmos mit einer Milliarde Euro beteiligt, ist nämlich nicht zur Gänze gesichert: In seiner zweiten die zweite Phase soll Exomars mit einem Rover 2020 zum Nachbarplaneten starten: Der Roboter zeichnet sich durch einen zwei Meter langen Bohrer aus, mit dem er tiefer in den Mars-Boden eindringen kann als bisherige US-Rover. Auch in den Tiefen des Mars-Gesteins wollen die Experten nach biologischen Molekülen forschen. Damit das aber möglich ist, müssen die ESA-Mitgliedstaaten noch ein Budget von 300 Millionen Euro bewilligen.
Bei der österreichischen RUAG Space lässt man sich vorerst nicht aus der Ruhe bringen. Das Unternehmen konstruiert einen Kamera-Masten und die Elektronik für den Bordcomputer des Rovers. "Wir sind zuversichtlich, dass die Mission über die Bühne geht", sagt Sprecher Gerald Zeynard.