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Kontinent und Insel

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Elf EU-Länder sind nun für eine Finanztransaktionssteuer, deren Details bis Sommer vorliegen sollen. Soweit der Beschluss der EU-Finanzminister. Für die heute, Mittwoch, erwartete Rede des britischen Premiers David Cameron ist dies eine klare Botschaft: Europa wird die Vertiefung vorantreiben, egal was die Briten machen. Klar scheint zu sein, dass Großbritannien eine Neuregelung seiner Verträge mit der EU wünscht. Wie das allerdings gehen soll, ist unklar. Wenn den Briten der Sonderweg gestattet wird, ist es schwierig, anderen Ländern einen solchen vorzuenthalten. Diese Fliehkräfte würden dem in Gang befindlichen Prozess größeren Zusammenhalts entgegenwirken. Innenpolitisch würde das Cameron helfen, aber die Briten verlangen Unmögliches: Trotzdem wollen sie den europäischen Integrationsprozess weiterhin gleichberechtigt mitgestalten.

Das ist tatsächlich ein bisschen viel verlangt. Der Briten-Rabatt bringt der Insel derzeit finanzielle Vorteile in Höhe von fast 3,9 Milliarden Euro - jährlich. Das ist Zugeständnis genug.

Wenn Großbritannien Sonderregeln verlangt, wird das Land wohl auch akzeptieren müssen, weniger mitreden zu können. So geht es übrigens auch Norwegen und der Schweiz. Beide Länder müssen EU-Regeln jeweils national nachvollziehen, ohne in deren Gestaltung einbezogen worden zu sein.

Die europäische Debatte um den künftigen Budgetrahmen zeigt eines deutlich: Alle EU-Regierungen rechnen mit der Investitionskraft der EU-Töpfe im Kampf um Wachstumsraten. Das sieht auch die britische Industrie so, die Premier Cameron zuletzt ebenfalls unter Druck gesetzt hat, allerdings als EU-Befürworter.

Es wird also erwartet, dass Cameron in seiner Rede stark im Konjunktiv bleibt. Die Feiern zum 50-jährigen Jubiläum des Élysée-Vertrags zwischen Frankreich und Deutschland haben das andere Europa gezeigt. Bei aller Gegensätzlichkeit entwarfen François Hollande und Angela Merkel doch das Bild des gemeinsamen Europa.

Ob Cameron dieses Bild noch zerstören kann, muss stark bezweifelt werden. Dass ihn nun auch der Spezial-Verbündete USA aufgefordert hat, Großbritannien "im Herz der EU" zu halten, macht die Sache für ihn nicht leichter. Diese Rede wird der ehemalige PR-Profi wohl hinbiegen, aber irgendwann wird sich Großbritannien entscheiden müssen, was es tatsächlich will.