Das vorläufige Urteil und Joseph Blatters Druck auf die Tränendrüse verfehlten ihre Wirkung nicht. "Es ist ein trauriger Tag für den Fußball", meinte der Chef des Weltverbandes Fifa. Dessen Ethikkommission hatte beschlossen, zwei Funktionäre, die Undercover-Reportern signalisiert hatten, Stimmen für die WM-Vergabe zu verkaufen, sowie vier andere Offizielle vorerst zu suspendieren. Außerdem wird weiter ermittelt, auch gegen zwei nicht genannte Bewerber.
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Blatter musste die Tragik betonen, sonst könnte man fast den Eindruck bekommen, er sei über seine unfreiwillige Rolle als Aufklärer, der Entschlossenheit und rasches Handeln demonstriert, gar nicht einmal unglücklich. Jedenfalls wurde die vorläufige Entscheidung in der Sportwelt positiv aufgenommen. Jacques Rogge, der Präsident des internationalen olympischen Komitees IOC, sandte lobende Worte nach Zürich. Dass nicht nur die Einzelfälle, sondern das "ganze System" untersucht würde, sei der richtige Weg.
Genau diese Interpretation hat die Fifa wohl bezweckt und Blatter vor nachhaltigem Imageschaden hinsichtlich seiner angestrebten (und nicht zu bezweifelnden) Wiederwahl 2011 bewahrt. Dass das System aber transparenter wird, können nicht einmal die naivsten Gemüter, zu denen Rogge als IOC-Chef gewiss nicht zu zählen ist, glauben. Und genau darin liegt der Grund, warum Korruption weiter nicht zu verhindern sein wird.
Das beginnt schon mit der Zusammensetzung des Fifa-Kongresses, des wichtigsten Entscheidungsorgans, der aus je einem Vertreter jedes Mitgliedsverbandes und ergo auch aus Personen mit zweifelhaftem demokratiepolitischen Hintergrund besteht. In dem illustren Kreis finden sich auch Funktionäre, denen Korruption schon nachgewiesen worden ist. Dass die Fifa die Dinge gerne intern regelt und im Falle willkommener Blatter-Unterstützer Milde vor Recht ergehen lässt, passt da gut ins Bild. Und die Justiz? Die kann aktuell nicht eingreifen. In der Schweiz, wo - welch Zufall - die Sitze der großen Sportverbände sind, werden diese im Anti-Korruptionsgesetz explizit ausgeklammert. Interne Rebellion verbittet sich die Fifa, für die Vereinsrecht gilt, ebenso wie politische Einflussnahme in den einzelnen Ländern, indem sie die betroffenen Verbände einfach ausschließt. Kontrolle ist gut - und wenn sie der Präsident selbst hat, noch besser.
Freilich sind die Strukturen in anderen großen Verbänden und Organisationen nicht anders, auch das IOC tat sich schon mehrfach mit unrühmlichen Affären hervor. Was man von demokratischen Strukturen in vielen Teilen der Sportwelt hält, verkündete jüngst auch Bernie Ecclestone, der über der Formel 1 thront. Er glaube nicht, dass Demokratie der richtige Weg sei, ein Land zu führen, erklärte er dem "Guardian". Es brauche jemanden, der das "Licht an- und ausknipst".
Auch wenn Blatter, der Diplomat und selbsternannte Friedensstifter, sich öffentlich nie so äußern würde - in der Welt des Fußballs ist er dieser jemand. Und das wird, Affäre hin, Korruption her, auch so bleiben.