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Kontrollfrage ist Dynamit für Reform des Weisungsrechts

Von Daniel Bischof

In den türkis-grünen Verhandlungen zur Generalstaatsanwaltschaft wird parlamentarische Kontrolle die höchste Hürde sein. Eine Analyse.


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Die Frage der demokratischen Kontrolle ist bei den Verhandlungen über die Generalstaatsanwaltschaft der Knackpunkt. Zunächst müssen sich einmal die ÖVP und Grünen einig werden. Der Nationalratsabgeordnete Christian Stocker (ÖVP) sagte am Mittwoch bei der Debatte des "Rechtsstaats- und Antikorruptionsvolksbegehrens" im Nationalrat, es entspreche nicht dem Verfassungs- und Demokratieverständnis, dass sich die Justiz selbst kontrolliert. Dem Ansatz, für den Bundesstaatsanwalt die Kontrolle aus dem Parlament abzuziehen, könne er nichts abgewinnen.

Weiters muss bei den Verhandlungen die FPÖ oder SPÖ überzeugt werden. Die Reform bedarf nämlich einer Verfassungsänderung. Auch hier warten Stolpersteine, etwa bei der parlamentarischen Kontrolle durch U-Ausschüsse: Im Endbericht der Arbeitsgruppe zum Bundesstaatsanwalt gibt es Gedankenspiele, laufende Strafverfahren von dieser Kontrolle auszunehmen, was Debatten mit sich bringen könnte.

Die "Anscheinsproblematik"

Derzeit ist die Justizministerin die Spitze der Weisungskette. Sie ist als oberstes Organ der Vollziehung für die Handhabung ihrer Weisungen parlamentarisch verantwortlich. Der Nationalrat kann ein Misstrauensvotum oder eine Ministeranklage gegen sie einbringen. Dass die Ministerin an der Spitze der Weisungskette steht, bringe die "Anscheinsproblematik" mit sich, so die Arbeitsgruppe. Allein dadurch, dass sie Weisungen erteilen kann, entstehe der Anschein, dass sie Strafverfahren aus rein politischen Motiven beeinflussen könnte.

Reformideen gab es schon in den vergangenen Jahrzehnten. Mehrfach wurde dabei das Bedenken geäußert, mit einem Bundesstaatsanwalt könnte eine fragwürdige Parallelstruktur, eine Art "zweiter Justizminister", geschaffen werden. Nämlich dann, wenn diesem neben den Weisungsagenden die Budget- und Personalhoheit sowie die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften unterliegen und er parlamentarisch dafür nicht verantwortlich ist.

Dieser Ansatz wurde von der aktuellen Arbeitsgruppe nicht verfolgt. Angelegenheiten des Budgets, Personals und der Dienstaufsicht sollen bei der Justizministerin verbleiben, die Generalstaatsanwaltschaft organisatorisch in das Ministerium eingebettet werden. Weiter möglich sein soll die parlamentarische Kontrolle der Justizverwaltung. Das betrifft eben das Budget und die Organisation wie Planstellen oder die Ausstattung der Justiz.

Senat gibt die Weisungen

Die Weisungskette zum Ministerium wird aber gekappt. Die Weisungskompetenz soll nicht beim Generalstaatsanwalt selbst, sondern bei einem unabhängigen Senat liegen. Er soll aus drei Generalanwälten bestehen und bei der Generalstaatsanwaltschaft - sie übernimmt die Aufgaben der Generalprokuratur - angesiedelt sein. Hauptfrage ist, ob und inwiefern eine parlamentarische Kontrolle des Senats gegeben sein soll: Kann dieser für seine Entscheidungen parlamentarisch verantwortlich gemacht werden?

Die Arbeitsgruppe will, dass laufende Strafverfahren von der Kontrolle ausgenommen sind. Ansonsten würde wieder die Anscheinsproblematik auftreten. Parlamentarische Anfragen sollen nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gestellt werden können. Wie weit dieses Auskunftsrecht reichen soll, ist offen. Muss der Senat abweichende Meinungen in seinem Kollegialorgan bekanntgeben? Oder kann er sich wie Höchstgerichte darauf berufen, "mit einer Stimme" zu sprechen? Inwieweit reicht das Amtsgeheimnis? Und ob der ÖVP das nachgeordnete Anfragerecht ausreicht, wird sich in den Verhandlungen zeigen. Derzeit arbeitet das Justizministerium einen Gesetzesentwurf für die Reform.