Österreichs Manager vertrauen ihren Mitarbeitern nur bedingt, belegt eine aktuelle Studie zum Führungsverständnis.
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Wien. Wie ticken Österreichs Führungskräfte? Und worin unterscheiden sie sich von den Kollegen im benachbarten Ausland? Diesen Fragen gingen die Experten des Unternehmensberaters Roland Berger Strategy Consultants in ihrer Studie "Leadership in CEE" nach, und untersuchten Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Führungsstilen in Zentral- und Osteuropa.
Und siehe da, die Umfrage unter 293 Führungskräften aus acht Ländern in CEE (Zentral- und Osteuropa) brachte verblüffende Ergebnisse: "Mich hat am meisten überrascht, dass Manager zwar einerseits betonen, ihren Mitarbeitern zu vertrauen und ihnen auch die wichtigsten Aufgaben übertragen würden, jedoch gleichzeitig ein hohes Maß an Kontrollbedürfnis an den Tag legen", räumt Studienleiter Andreas Tiefengraber ein.
Weniger kommunikativ
Tatsächlich werden die Chefetagen hierzulande offenbar von Kontrollfreaks bevölkert. Die Studie belegt jedenfalls, dass Manager in Österreich mehr Kontrolle wollen als Manager in Zentral- und Osteuropa. So gaben 68 Prozent der österreichischen Manager an, ihren Mitarbeitern zwar in einem gewissen Ausmaß zu vertrauen, aber dennoch alles kontrollieren zu wollen.
Ein signifikanter Unterschied zu den CEE-Führungskräften, die nur zu 46 Prozent dieser Ansicht waren. "Im CEE-Vergleich sehen sich österreichische Manager stärker als Kontrollorgane und wirken weniger kommunikativ, während Manager in CEE stärker dazu tendieren, sich als Teil des Teams wahrzunehmen", betont Tiefengraber.
Ein weiterer deutlicher Unterschied besteht darin, dass Führungskräfte aus Zentral- und Osteuropa ihre Autorität stärker in ihrem Know-how begründet sehen. 95 Prozent aller CEE-Manager betrachten Expertise und Wissen als Basis für ihre Autorität. Zum Vergleich: Nur rund 42 Prozent der österreichischen Führungskräfte sehen hierin die Wurzel ihrer Autorität. "Laut ihrer Eigenwahrnehmung beruht die Autorität der Mehrheit der österreichischen Manager auf einer Kombination aus Erfahrung und Status ihrer Position", weiß Roland Berger-Mitarbeiter Tiefengraber.
Unterschiede werden aber auch im Zugang zum Thema Networking sichtbar. Rund 57 Prozent aller Befragten setzen bei der Kontaktpflege auf professionelle Strukturen wie Interessenvertretungen, Online-Netzwerke und Sportvereine. Während 77 Prozent der CEE-Manager angaben, ihre Netzwerke aktiv zu nutzen, tun das jedoch nur 65 Prozent der österreichischen Führungskräfte. Ist man in den heimischen Chefetagen also eher "Netzwerk-faul"?
"Ich würde nicht sagen, dass Manager hierzulande generell Netzwerk-faul sind, sie tendieren jedoch eher zum ,traditionellen‘ Networken in Interessensvertretungen, beim Sport oder in Alumni-Organisationen", erläutert Tiefengraber den Unterschied. "CEE Manager nutzen Netzwerke hingegen deutlich pro-aktiver, und sehen sie auch als Grundstein für ihren beruflichen Erfolg. Das gilt vor allem für den Bereich Online- und Social-Media-Netzwerke." Die Ergebnisse der Studie würden zeigen, dass es trotz der Internationalisierung des Wirtschaftslebens zum Teil beträchtliche regionale Unterschiede im Führungsverständnis gibt. "Österreichische Führungskräfte sind gut beraten, sich das vor Augen zu halten, wenn sie Spitzenleute aus der Region als Mitarbeiter gewinnen und weiterentwickeln möchten", lautet ein Resümee der Studie.
Und täglich grüßt das Meeting
Keine großen Unterschiede zwischen Österreich und den CEE-Ländern gibt es hingegen in Sachen Sitzungskultur. In allen untersuchten Ländern besteht der Arbeitsalltag von Führungskräften zu einem großen Teil aus Besprechungen. Rund ein Fünftel aller Befragten gab an, mehr als zwei Drittel der Arbeitszeit für Meetings aufzuwenden. Ein weiteres Viertel verbringt zwischen 46 und 65 Prozent der Arbeitszeit in Sitzungen. Weitere 35 Prozent sitzen bis zu 45 Prozent des Arbeitstages in Meetings. Lediglich 18 Prozent der Führungskräfte wenden weniger als ein Viertel ihrer Arbeitszeit für Besprechungen auf.
Die Studienmacher haben auch versucht, jene Faktoren zu destillieren, die erfolgreiches "Leadership" ausmachen. An erster Stelle nannten die Befragten "Offenheit und Aufnahmebereitschaft", gefolgt von "Mitarbeiterentwicklung", "Unternehmergeist", "Soft-Skills" und "Sozialer Kompetenz". "Eine deutliche Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass diese fünf Faktoren in Zukunft noch wichtiger werden", so Experte Tiefengraber. Selbiges gelte auch für Fremdsprachenkenntnisse, internationale Erfahrung und Hochschulbildung.
Der kleine Unterschied
Und wie steht es um den sprichwörtlichen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Führungsstil? "In unserer Befragung haben Männer eine leicht höhere Präferenz für Kontrolle, Vorbildfunktion und setzen stärker auf Fachwissen. Der Einsatz von Soft-Skills bei Kommunikation, Konfliktlösung und in Verhandlungssituationen wird hingegen von weiblichen Managern stärker betrieben", skizziert Tiefengraber die Geschlechter-Präferenzen.
Frauen würden zudem Charisma und akademische Bildung als wichtiger für die Unternehmungsführung bewerten, Männer hingegen das Networking. Tiefengraber: "Es hat mich jedoch überrascht, dass sich männliche und weibliche Manager bis auf diese kleinen Akzente in ihrem Führungsstil generell kaum unterscheiden. Beide Gruppen haben in Sachen Management ein sehr ähnliches Selbstbild."