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Kontroverse um Säuglingsprämie

Von Jörg Vogelsänger

Europaarchiv

Spanien: Konservative Opposition wirft Zapatero Stimmenfang vor. | Madrid. (dpa) Miriam ist vor drei Wochen Mutter geworden. Stolz präsentiert sie ihren Sohn Martin. Die 32-jährige Verkäuferin hat aber einen zusätzlichen Grund zur Freude, denn sie und ihr Mann werden in den Genuss der gerade in Spanien eingeführten Babyprämie kommen: 2500 Euro gibt es als einmalige Zahlung für jedes Kind, das nach dem 3. Juli dieses Jahres zur Welt gekommen ist.


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Völlig überraschend hatte Premier Jose Luis Rodriguez Zapatero diese neue staatliche Unterstützung während einer Debatte im Parlament angekündigt. Sie soll, unabhängig vom Einkommen, auch für adoptierte Kinder gezahlt werden. Ausländer, die seit mindestens zwei Jahren legal im Land sind, haben ebenso Anspruch darauf.

Der "Babyscheck" soll dazu beitragen, die Geburtenrate zu erhöhen. Diese liegt laut Statistik bei 1,37 Kindern pro Frau; rund 480.000 Geburten gab es 2006. "Uns kommt das Geld sehr gelegen, für die Erstausstattung etwa", sagt Miriam. Allerdings ist der Betrag auch schnell verbraucht. Kritiker werfen Zapatero deshalb vor, die Maßnahme sei Augenauswischerei. Notwendig wäre dagegen eine echte Familienpolitik, denn im EU-Vergleich sei Spanien bei Sozialausgaben für die Familie das Schlusslicht.

Erst seit vier Jahren gibt es in Spanien so etwas wie Kindergeld: 100 Euro pro Monat in den ersten drei Lebensjahren - jedoch nur für berufstätige Mütter. Hinzu kommt ein Freibetrag bei der Einkommenssteuer, der Familien mit zwei Kindern eine jährliche Ersparnis von etwa 1900 Euro bringt. Zwar gibt es weitere Hilfen von den Regionen, diese machen aber kaum mehr als einige hundert Euro im Jahr aus.

Wandel in Gesellschaft

Die niedrige Geburtenrate in Spanien hat nach Meinung von Familienpolitikern nicht nur finanzielle Gründe. Eine wichtige Rolle spielte auch der Gesellschaftswandel nach dem Ende der Franco-Diktatur. Unter dem "Generalissimus" blieb den Frauen nur die Rolle der Mutter und Ehefrau; ohne Erlaubnis des Gatten durften sie weder arbeiten noch ein eigenes Bankkonto führen oder verreisen. Mit der beruflichen und wirtschaftlichen Emanzipation entschieden sich viele Spanierinnen daher zunächst für Ausbildung, Studium und Beruf. So erreichte die Geburtenrate 1996 mit 1,16 ihren bisherigen Tiefststand. Dass es heute wieder mehr Babys gibt, ist vor allem der zunehmenden Einwanderung zu verdanken: Fast ein Fünftel aller Geburten geht auf Ausländerinnen zurück.

Die Babyprämie hat auch einen heftigen innenpolitischen Streit ausgelöst. Die konservative Opposition wirft Zapatero vor, wie ein Populist auf Stimmenfang zu gehen, weil er die Initiative nur wenige Monate vor den Parlamentswahlen im März 2008 angekündigt hat. Aber auch die Vereinte Linke hat Einwände: Notwendiger wäre es, den großen Mangel an staatlichen Tagesstätten für Kinder bis drei Jahre zu beheben.