Gestern präsentierte sich Staatssekretär Alfred Finz erstmals als designierter neuer Obmann der Wiener ÖVP der Öffentlichkeit. Als seine erste Bewährungsprobe sieht er die kommenden Nationalratswahlen, wo er "deutlich über 20 Prozent" erreichen will. Vorrangig will Finz, der sich als "kooperativen Typ" und politisch "Spätberufenen" beschreibt, die Partei einen, die Bezirke stärker einbinden sowie mit einem jungen Team mit "sehr, sehr hohem Frauenanteil" antreten.
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"Die Zeit war reif, zu einer Entscheidung zu kommen", erklärte der Staatssekretär im Finanzministerium seine am Freitag erfolgte einhellige Nominierung als Kandidat der Obmannfindungskommission für den Wiener Obmann. Eine Entscheidung, die weniger ob ihres Inhalts - Finz selbst stand ja schon länger als Favorit für die Nachfolge Bernhard Görgs fest - als wegen ihres Zeitpunkts und ihrer Form überraschend kam: Schließlich wollte man ursprünglich erst beim kommenden Landesparteivorstand am 3. Juni eine Entscheidung fällen.
Führungsanspruch statt Platzhalter mit Ablaufdatum
Keineswegs will Finz als Platzhalter oder Übergangskandidat gelten, statt dessen betonte er seinen "Führungsanspruch". Angesprochen darauf, ob er nicht als Görg-Nachfolger kandidieren wolle, habe er anfangs stets auf sein schon fortgeschrittenes Alter (58) verwiesen. Viele hätten jedoch gemeint, dass ein älterer Obmann den "internen Beruhigungsprozess" besser einleiten könne.
Diese Aufgabe will der designierte neue Obmann von zwei Seiten her angehen: Zum einen der Partei wieder eine einheitliche Linie geben, zum anderen die Bezirke stärker in die politische Arbeit einbinden. Wenig anfangen könne er mit dem wiederholt geäußerten Wunsch nach einer "Neugründung" der Wiener Volkspartei. Tatsächlich sei für ihn die Partei besser als ihr Ruf und verfüge über viel Potenzial, das es nun zu heben und nutzen gelte. Dass er in seinen Gesprächen von vielen die Bereitschaft erfahre, in der Partei mitzuarbeiten, mache ihm, Finz, Hoffnung.
Beweglich und offen statt Luken dicht
Finz strebt eine für die Zukunftsfragen der Stadt offene und bewegliche Partei an, in der auch das liberale Spektrum seinen Platz und seine Berechtigung habe.
Was strukturelle und personelle Veränderungen angeht, so wollte Finz gestern noch nicht konkret werden. Er habe hier zwar bereits klare Vorstellungen, wolle dies jedoch zunächst intern besprechen. Wie bereits Wirtschaftsbundobmann Walter Nettig am Freitag rechnet auch Finz damit, dass der derzeit geschäftsführende Klubobmann Matthias Tschirf Görg als Klubobmann ablöst. Im Gegensatz zu Nettig verwies er zumindest auf die formale Zuständigkeit des Klubs in dieser Frage. Diskussionsbedarf bestehe auch bezüglich einer möglichen Übersiedlung der Landespartei in die Bundespartei.
Was die verstärkte Einbindung der 23 Bezirke betrifft, ergibt sich bereits heute abend für Finz die Möglichkeit, den Worten gute Taten folgen zu lassen. Gut möglich nämlich, dass die Stimmung bei der Sitzung der Bezirksparteiobleute durchwachsen ist, immerhin wurde diesen dem Vernehmen nach intern zugesichert, dass sie vor der endgültigen Entscheidung über einen neuen Obmann nochmals konsultiert werden.
Görg zufrieden, Häupl begrüßt, der Rest gelassen
Als "sehr guten Kandidaten" bezeichnete Noch-Obmann Bernhard Görg seinen wahrscheinlichen Nachfolger. Finz sei der richtige Mann, die Wiener ÖVP in die kommenden Nationalratswahlen zu führen. "Er wird das gut können und deutlich machen, dass es keinen Konflikt zwischen der Bundespartei und der Wiener VP gibt", so Görg.
Wiens Bürgermeister und SP-Chef Michael Häupl hieß Finz "auf dem Wiener Parkett herzlich willkommen". Gratulieren wolle er ihm erst dann, wenn er gewählt worden sei. Grüne und Freiheitliche zeigten sich demonstrativ gelassen.