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Kopenhagen hin oder her: Yes, we can!

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare

Wir wollen uns ja gerne überraschen lassen. Aber es sieht nicht so aus, als ob die laufende Konferenz in Kopenhagen ein rauschender Erfolg für den Klimaschutz werden würde. Seit 25 Jahren weiß zwar jeder, der es wissen will, dass die ungezügelte Nutzung der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Erdgas zur Freisetzung sogenannter Treibhausgase (THG) führt, deren Konzentration in der Atmosphäre die Wahrscheinlichkeit von Klimakatastrophen erhöht. Aber fast 200 Staaten zu einer verbindlichen, überprüfbaren THG-Reduktion zu verpflichten, ist extrem schwierig.


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Der Kern des Problems ist das, was die Ökonomen ein Gefangenen-Dilemma nennen: Selbst wenn jeder Staat Interesse daran hätte, dass die weltweiten THG-Emissionen sinken, wäre es am bequemsten, wenn alle anderen tätig werden, nur man selbst nicht. Denn dann kann man vom Nutzen des Klimaschutzes profitieren, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. Und wenn jeder so denkt, kommt es zu keiner Einigung.

Darüber hinaus sind die Interessen in Kopenhagen keineswegs homogen. Der Reichtum russischer und arabischer Oligarchen beruht auf Öl und Gas. China ist zwar seit kurzem der größte THG-Emittent, verweist aber mit Recht darauf, dass die kumulierten bisherigen Emissionen Europas und der USA jene Chinas bei weitem übersteigen. Bangladesch und viele Pazifikinseln würden bei einem Anstieg des Meeresspiegels buchstäblich von der Landkarte verschwinden, für Binnenländer gilt das nicht.

Aber das ist nicht das Ende vom Lied. Westeuropa mit Österreich hat, jenseits moralischer Argumente zugunsten der Lebensqualität zukünftiger Generationen, ökonomisch eine günstige Ausgangslage. Ob Kopenhagen zu unmittelbaren Erfolgen führt oder nicht, das fossile Industriezeitalter neigt sich seinem Ende zu. Der Ölpreisschock vom Sommer 2008 war ein Zeichen an der Wand. China und Indien wissen, dass sie mit der Energiepolitik des 19. und 20. Jahrhunderts ihren Aufholprozess nicht werden unterfüttern können.

Hier eröffnen sich neue Märkte, neue Chancen. Wissen um Energieeffizienz, um die Nutzung von Solar-, Wind- und Biomasse-Energie wird gefragt sein. Unternehmen wie Solon in Tirol (Bau von Solarkraftwerken) oder Fronius in Oberösterreich (Wechselrichter für die Photovoltaik) gehören heute schon zu Marktführern. Vorarlberger Architekten und Ingenieure haben einen hervorragenden Ruf, wenn es um thermische Wärmedämmung oder den Neubau von Passivhäusern, die man nicht heizen muss, geht. Schon wird mit Plusenergiehäusern, die netto Strom erzeugen und ins Netz speisen, experimentiert. Und Güssing im Burgenland hat gezeigt, wie man auf der Grundlage von schlichter Biomasse energieautark werden kann.

Ja, es geht - Kopenhagen hin oder her.

Alexander Van der Bellen ist Abgeordneter der Grünen zum Nationalrat.Das Spiel mit offenen Karten beginnt

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