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Kopf in den Sand oder Karten auf den Tisch

Von Alexander Van der Bellen

Gastkommentare

Gemäß Finanzminister Josef Prölls Strategiebericht pendelt das (Maastricht-)Defizit von 2009 bis inklusive 2013 zwischen 4 und 5 Prozent des BIP. Dem entspricht ein Anstieg der öffentlichen Verschuldung von rund 180 Milliarden heute auf rund 250 Milliarden Euro 2013.


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Das ist wohl die Untergrenze. Denn der Finanzminister legte seinen Daten noch die Wifo-Prognose vom März zugrunde, die von minus 2 Prozent des BIP 2009 ausging. Inzwischen gelten minus 4 Prozent als realistisch. Das würde rund 3 Milliarden Euro mehr an Defizit bedeuten - allein heuer.

Die Defizite an sich sind nicht das Problem. Das wirkliche Problem werden die Zinsen für die gestiegene öffentliche Schuld sein. Noch 2008 betrug die Zinsbelastung im Bundeshaushalt nicht ganz 7 Milliarden Euro. Selbst in Prölls optimistischer Rechnung steigen sie 2013 auf rund 10 Milliarden. Das berücksichtigt aber nur den Mengeneffekt. Die Prognose setzt konstante Zinssätze von 4 Prozent voraus - etwas niedriger als im Normaljahr 2008!

Eine sehr gewagte Annahme. Nicht nur Österreich, sondern praktisch alle Industriestaaten drängen mit einer noch nie erlebten staatlichen Kreditnachfrage auf die Kapitalmärkte. Die Federal Reserve der USA will durch Anleihen-Ankäufe dem drohenden Zinsanstieg gegensteuern; die EZB hat Pfandbrief-Ankäufe für Juni angekündigt. Die Wirksamkeit dessen ist offen.

Der Bund wird also 2013 mindestens 3, vielleicht auch 5 oder 7 Milliarden Euro zusätzlich an Zinsen zu zahlen haben. Zusätzlich! Prölls Strategiebericht enthält keine Strategie, wie diese Zusatzausgaben zu verkraften sind. Er verweist in dürren Stichworten auf - erraten! - Verwaltungsreformen und schließt: "Dennoch verbleibt ein Konsolidierungsbedarf, den es zu bewältigen gilt."

Ja, eben. Es wäre nicht übel zu erfahren, wie die Regierung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise die unausweichlich kommende Konsolidierungskrise zu bewältigen gedenkt. Verwaltungs- und Föderalismusreformen müssten jetzt sofort angegangen werden, damit sie 2013 einen Hauch von Wirksamkeit versprühen können. Selbst dann rechnen nur Träumer damit, dass sie bis dahin 3 oder 5 Milliarden Euro einsparen helfen.

Pröll verweigert die Diskussion um mögliche befristete Steuererhöhungen nach Bewältigung der jetzigen Krise und verweist nebulos auf Ausgabenkürzungen. Na schön, aber welche? Bei der Forschung, wie jetzt beim Cern-Ausstieg, der jämmerliche 20 Millionen Euro betrifft? Bei den Schulen, um noch schlechtere Pisa-Ergebnisse zu erzielen? Bei Polizei, Militär, Justiz? Bei den Pensionen? Lettland hat gerade die Gehälter der öffentlich Bediensteten um 15 Prozent gekürzt. Was hat Pröll im Sinn? Ich möcht´s ja bloß wissen. Übrigens, 2013 sind Wahlen. Da gibt´s sicher unpopuläre Reformen . . .

*Alexander Van der Bellen ist Abgeordneter der Grünen im Nationalrat.+

Jeden Freitag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei. *