Was Österreich und Deutschland beim Thema Europa unterscheidet.
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Neulich habe ich zum ersten Mal an der Taufe einer Lokomotive teilgenommen. Die Klima- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler nahm sie vor, an der Autozugverladestation des Wiener Hauptbahnhofs. Die Lok ist in EU-Farben bemalt und fährt für ein paar Wochen durch Österreich. Damit will die EU-Kommission die Menschen daran erinnern, welchen Erfolg der EU-Beitritt vor 25 Jahren für Land und Leute bedeutet. Wie erreicht man eigentlich die Köpfe und Herzen der Menschen, wenn es um Europa geht? Nach einem knappen Jahr als Botschafter in Österreich habe ich den Eindruck: Da gibt es Unterschiede zu Deutschland.
Das hängt vielleicht mit der Geschichte zusammen. Mitte der 1950er Jahre sind Deutschland und Österreich fundamental getrennte Wege gegangen: das eine Land in die Nato und die Europäische Gemeinschaft, das andere in die Neutralität. Erst 40 Jahre später fanden wir uns gemeinsam in einer Organisation wieder, nämlich der EU.
Was bedeuten diese lange getrennten Wege für unser Verhältnis zu Europa? Für uns Deutsche war nach dem Krieg die Selbsteinbindung in Bündnisse Staatsräson, ebenso die Versöhnung mit unseren Kriegsgegnern, zunächst im Westen. Einfach gesagt, sind Nato und EU dafür die Vehikel.
Was es bedeutet, dass Österreich einen anderen Weg gegangen ist, verstehe ich als Gast in diesem Land bestenfalls in Umrissen. Mein Eindruck ist: Das neutrale Österreich hat nach dem Beitritt im Jahr 1995 seine Mitgliedschaft zwar ebenfalls als historische Chance gesehen, aber auch zurückhaltender als die Deutschen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ging es weniger um Frieden und Versöhnung, mehr um Binnenmarkt und Vernunft.
Aber mein Eindruck ist auch: Wir Deutsche bewegen uns ebenfalls in diese Richtung. Für jüngere Generationen in Deutschland ist die europäische Einigung nicht mehr nur die Lehre aus zwei Weltkriegen, sondern zusehends Gegenstand einer nüchternen Interessenkalkulation: Europa nützt und schützt. In einer zusehends rauen Welt sollte uns das einiges wert sein.
Ich bin Ihnen noch den Namen der Lokomotive schuldig geblieben, die in Österreich für die EU wirbt. Ich hätte mir durchaus etwas Herziges vorstellen können, wie zum Beispiel Emma, nach der Dampflok aus Michael Endes Geschichte "Jim Knopf". Doch stattdessen heißt sie, ganz nüchtern, "EU-Lok". Vielleicht ist das richtig: Dampf ist von gestern, die Lok von heute fährt mit 100 Prozent Ökostrom. Die Europäische Union will halt auch die Köpfe der Menschen erreichen.