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Das Konzept von der tieferen Weisheit der Wähler hat in den letzten Jahren einige Schrammen abbekommen. Als Schönwetterkonstruktion wurde die Demokratie da gering geschätzt, die schon aus ihrer inneren Logik heraus auf die Verführbarkeit der Masse abziele; wer würde auch nicht verlockende Versprechen bitteren Notwendigen vorziehen . . .
So manches Wahlergebnis der vergangenen Jahre tatsächlich regte tatsächlich zum Nachdenken an - in Ungarn, in Rumänien, in Frankreich, in Finnland, in Dänemark, in Holland, in Italien und natürlich in Österreich. Mit seinem Essay "Politik der Gefühle" hat Josef Haslinger das Erfolgsrezept hinter dieser Entwicklung schon vor 25 Jahren anschaulich auf den Punkt gebracht.
Und ausgerechnet jetzt, am Höhepunkt der Krise, wo deren enorme finanzielle Kosten und politischen Konsequenzen deutlich werden, ausgerechnet jetzt also, schicken die Wähler ihre falschen Propheten in die Wüste. Beileibe nicht nur am Mittwoch in Holland, auch schon zuvor in Griechenland und Frankreich.
Was die niederländische Abfuhr für die rechten wie linken Populisten angeht, sollte man mit schnellen ideologischen Wertungen vorsichtig sein. Faktum aber ist: Der Kopf hat sich als Sitz der Letztentscheidung über den Bauch, womöglich auch das Herz, durchgesetzt. Das ist durchaus beachtlich und alles andere als selbstverständlich. Zumal die Niederländer als erste Gläubigernation inmitten der Krise zur Wahlurne schritten. Dass im Großen und Ganzen der bisherige Kurs - eine Mischung aus schmerzhafter Budgetsanierung verbunden mit mächtigen Integrationsschritten - beibehalten werden soll, taugt als Botschaft für den reichen Norden wie den armen Süden Europas.
Jetzt ist es an den Politikern in Den Haag, ihre Reife unter Beweis zu stellen. Abgesehen von ihren Gemeinsamkeiten in den großen europäischen Fragen, trennen Liberale und Sozialdemokraten mitunter Welten im zermürbenden Klein-Klein der niederländischen Innenpolitik. Die Situation erinnert frappant an jene in Österreich, wo es SPÖ und ÖVP ganz locker gelingt, die Wähler zu Protestparteien aller Art zu treiben. Einfach so. Wiederholt sich das nun in den Niederlanden, war die ganze tiefere Weisheit der Wähler für die Katz und die Verlierer vom Mittwoch schon bald wieder obenauf.