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Köpferollen im Studentenparlament

Von Katharina Schmidt

Politik

Fachschaftsliste kann sich nun doch wieder Regierung mit Rot-Grün vorstellen. | AG-Vertreter Al-Mobayyed will Chefposten behalten. | Wien. Es war ein historischer Sieg für die Aktionsgemeinschaft (AG): Bei der Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) im Mai 2007 erreichte die ÖVP-nahe Studentenliste 31,3 Prozent der Stimmen und landete erstmals nach sechs Jahren wieder auf Platz eins. Doch der Triumph des Spitzenkandidaten Samir Al-Mobayyed währte nur kurz: Im Juni beschloss die zweitstärkste Fraktion, die parteiunabhängigen Fachschaftslisten (FLÖ), eine rot-grüne Koalition zu unterstützen - FLÖ-Spitzenkandidat Hartwig Brandl konnte sich damit auch gleich den Vorsitzposten in der Exekutive, der ÖH-Regierung, holen. Zumindest für die erste Hälfte der zweijährigen Legislaturperiode, denn ein Jahr nach der Regierungsbildung hätte Brandl den Chefposten vereinbarungsgemäß an Nadja Gasser von den Grünen und Alternativen Studenten (Gras) abtreten sollen.


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Dem war allerdings nicht so: Am vergangenen Freitag, wenige Stunden vor der Sitzung des ÖH-Parlaments, in der der Wechsel hätte vonstatten gehen sollen, ließ Brandl die Koalition platzen - und kündigte an, alleiniger ÖH-Chef bleiben zu wollen. In einer turbulenten Sitzung wurde Brandl dann aber von Gras und VSStÖ (Verband Sozialistischer Studenten) abgesetzt - die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit verdankten die beiden Gruppierungen allerdings der AG. Dieser Schachzug hat sich offenbar bezahlt gemacht: Denn nach vier Wahlgängen - und immerhin ein Jahr nach seinem ursprünglichen Wahlsieg - hat nun Al-Mobayyed den ÖH-Vorsitz inne.

So weit, so verworren. Doch es wird noch komplizierter: Brandl meint nämlich, er habe die Koalition deswegen gesprengt, weil der VSStÖ "in den vergangenen zwei, drei Monaten vermehrt versucht hat, Parteipolitik im Sinne der Mutterpartei in die ÖH zu bringen". Aber ist nicht gerade der VSStÖ der innerparteilich heftigste Kritiker der SPÖ-Regierungsarbeit? Immerhin fühlen sich die roten Studenten von der Mutterpartei verraten, seit mit der Regierungsbildung im Jänner 2007 klar ist, dass die Studiengebühren nicht abgeschafft werden. Laut Brandl war dies am Anfang der Regierungszusammenarbeit sehr wohl so, "seit ein paar Monaten nutzt der VSStÖ aber jede Gelegenheit, um die ÖVP zu kritisieren", sagt er.

Interne Probleme bei den Fachschaftslisten?

Das sehen die gehörnten Koalitionspartner freilich anders: Die FLÖ hätten schon seit längerem mit internen Problemen zu kämpfen, heißt es dort. VSStÖ-Spitzenkandidatin Lisa Schindler, die nach der Bildung der SPÖ-ÖVP-Koalition auf Bundesebene aus der SPÖ ausgetreten ist, vermutet Taktik hinter dem Vorwurf der Parteipolitik. Denn "nun können sich die FLÖ als die einzig unabhängige Liste positionieren", meint sie zur "Wiener Zeitung". Für interne Probleme der FLÖ würde auch die Abwahl eines weiteren FLÖ-Vertreters - diesmal an der Uni Klagenfurt - Anfang der Woche sprechen: Dort wurde Daniel Gunzer durch VSStÖ-Vertreterin Verena Tischler ersetzt.

Schindler hat nach der Wahl Al-Mobayyeds ihren Posten als stellvertretende ÖH-Chefin zur Disposition gestellt, denn "ich möchte mir nicht vorwerfen lassen, die AG zu unterstützen".

Allerdings - und damit wird der Streit noch undurchsichtiger - zeigt sich Schindler durchaus "zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit", was den Kampf der Hochschülerschaft gegen die von Wissenschaftsminister Johannes Hahn vor knapp zwei Wochen in Begutachtung geschickte Novelle des Universitätsgesetzes (UG) 2002 betrifft. Und zwar kann sich der VSStÖ eine Kooperation mit allen Fraktionen außer dem RFS (Ring Freiheitlicher Studenten) vorstellen. Also auch mit der AG oder den Fachschaftslisten.

Ähnlich kooperationsbereit äußerten sich Al-Mobayyed und Brandl - letzterer will nicht einmal eine neuerliche Koalition mit Rot-Grün ausschließen. Die Gras hat gar in einem offenen Brief alle Fraktionen - freilich mit Ausnahme des RFS - zu "einem breiten Zweckbündnis" gegen die UG-Novelle aufgerufen. "Wenn wir jetzt nicht geschlossen auftreten, verraten wir die Studierenden und sind mitverantwortlich für eine geschwächte Studierendenvertretung und den Niedergang der Universitäten", heißt es dort.

Die Kritikpunkte der Studenten an dem Gesetzesentwurf liegen auf der Hand: Mit den geplanten qualitativen Zugangsbedingungen für Master und Doktor würden quantitative Beschränkungen unter einem Vorwand eingeführt, so die Befürchtung. Und man ortet eine Entmachtung des Senats durch die Findungskommission zur Rektorenbestellung, in der zwei von drei Mitgliedern vom Uni-Rat kommen sollen.

Bei all diesen Kritikpunkten ist auch die AG mit im Boot - nun hat sie selbst das Steuerruder übernommen. Al-Mobayyed will bis zur eigens anberaumten Sondersitzung der Bundesvertretung am Montag jedenfalls die Wogen glätten, "damit sich das Massaker vom vergangenen Freitag nicht wiederholt". Und nach Möglichkeit möchte er auch den Vorsitzposten behalten, schließlich sei er ja ohne Ablaufzeit gewählt worden.

Keine Fraktion willdie AG gewählt haben

Eine weitere Kuriosität im studentischen Farbenspiel ist übrigens, dass keine der drei anderen großen Fraktionen Al-Mobayyed mit ihren Stimmen unterstützt haben will. Zwar heißt es aus VSStÖ und Gras, dass die FLÖ wohl der Mehrheitsbeschaffer für Al-Mobayyed waren, was Brandl jedoch vehement bestreitet. Wie die 33 von 61 Stimmen im Studentenparlament auf den AG-Vertreter entfallen konnten, ist genauso unklar wie der sachpolitische Grund für das Ende der Koalition. Klar ist nur, dass die AG als großer Gewinner der Querelen dasteht.