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Köpferollen in Berlusconis Partei

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Komödienreife Szenen um die PdL-Wahlliste in Neapel.


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Rom. Der neapolitanische Komödienschreiber und Schauspieler Eduardo de Filippo, der von 1981 bis zu seinem Tod im Jahr 1984 als Senator auf Lebenszeit in der zweiten italienischen Parlamentskammer saß, hätte seine Freude an den Szenen gehabt, die sich am Montagnachmittag seine Parlamentskollegen von Berlusconis Partei Popolo della Liberta (PdL - Volk der Freiheit) lieferten. Aber auch in einen Mafia-Film hätte das Telefongespräch, das der "Corriere della Sera" am Dienstag veröffentlichte, hervorragend gepasst.

Die Darsteller: Senator Nitto Palma, Justizminister in der letzten Berlusconi-Regierung, Denis Verdini, Abgeordneter und Koordinator der Partei, sowie der Abgeordnete und frühere Unterstaatssekretär Nicola Cosentino, starker Mann der PdL in der Region Kampanien, dem die beiden Berlusconi-Abgesandten mitteilen mussten, dass er nicht auf der Kandidatenliste für die kommenden Wahlen stehen wird und dass er die bereits vorliegenden Wahllisten herausgeben müsse.

"Nicola, ich bin Nitto Palma ... verdammt noch mal, bist du verrückt geworden", sagte der Ex-Justizminister dem Nicht-mehr-Kandidaten am Telefon.

Cosentino: "Ihr habt mich gelinkt, ihr habt mich ..."

Palma: "Nicola, hör mir gut zu: Ich und Denis sind auf dem Weg nach Caserta ..."

Cosentino: "Es ist alles die Schuld Berlusconis. Aber ich werde jetzt ... verdammt noch mal ... ein Blutbad anrichten ..."

Palma: "Nein, du spielst jetzt den Tapferen und beruhigst dich. In einer Stunde sind wir bei dir und du übergibst uns die Wahllisten von Kampanien, in Ordnung?"

Cosentino: "Ihr wollt mich im Gefängnis sehen, eh. Ihr ekelt mich alle an."

Palma: "Warte Nicola ... ich geb dir Denis."

Verdini: "Dein Verhalten gefällt mir nicht. Es gefällt mir wirklich nicht."

Alessandra Mussolini rückt auf der Wahlliste vor

Die Geschichte um die Wahlliste ist von viel Geheimtuerei, Behauptungen und Dementis umrankt. Schließlich wird sie aber doch noch rechtzeitig vor Ablauf der Frist am Montagabend eingereicht - ohne den Namen Cosentinos, an dessen Stelle die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini rückt. Vor einem Jahr, am 12. Jänner, als das Abgeordnetenhaus die Auslieferung Cosentinos an die Justiz abgelehnt hatte, hatte sie ihn noch beglückwünschend geküsst. Cosentino war unter anderem wegen seiner Verbindungen zur Camorra, der neapolitanischen Mafia, einem Skandal um Giftmüll, Kauf von Wählerstimmen und Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe für Windkraftwerke auf Sardinien ins Visier der Justiz geraten.

Cosentino, der auch PdL-Koordinator in Kampanien war, ist aber nur die Spitze eines Eisbergs. Von 88 Mitgliedern der derzeitigen Volksvertretung, die Probleme mit der Justiz haben, stellt die PdL nicht weniger als 52 - 31 Mitglieder des Abgeordnetenhauses und 21 Senatoren.

Vor Cosentino hatten bereits mehrere andere führende PdL-Politiker auf eine weitere Kandidatur verzichten müssen. Unter ihnen enge Vertraute Berlusconis wie der Senator Marcello dell’Utri, der wegen Verbindungen zur Mafia verurteilt wurde, und der langjährige Innen- und Wirtschaftsminister Claudio Scajola, gegen den wegen Korruption ermittelt wird. Nicht mehr als Kandidaten treten auch der frühere Berater von Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, Marco Milanese, an, der ebenfalls ein Korruptionsverfahren am Hals hat und der aus Neapel stammende Abgeordnete Alfonso Papa, der ehemalige Generaldirektor für Zivilrecht, dem die Gründung einer Geheimgesellschaft vorgeworfen wird.

Das Köpferollen fand nach langen internen Streitereien statt, weil Berlusconi Umfragen in der Hand hat, die besagen, dass die PdL eine Million Stimmen verlieren wird, wenn sie die umstrittenen Kandidaten wieder auf die Wahllisten setzt. Berlusconi selbst sprach am Dienstag von einer "qualvollen Entscheidung" und dankte den Betroffenen für ihren "freiwilligen" Verzicht. Berlusconi verband diesen Dank aber auch gleich wieder mit einem Angriff gegen die Justiz und die Medien: "Wir mussten unsere Freunde und Kollegen bitten, auf einen Listenplatz zu verzichten, weil sie von politisierten Staatsanwälten attackiert wurden und das von den Medien verbreitet wurde, und das hätte uns bei der Wahl schaden können."

Erfolglos hatten Berlusconi und seine Anwälte in den letzten Tagen versucht, den Prozess rund um das seinerzeit minderjährige Callgirl Ruby hinauszuzögern. Zumindest aber soll jetzt das Urteil in dem Verfahren, in dem es um Amtsmissbrauch und Sex mit einer Minderjährigen geht, erst nach den Parlamentswahlen verkündet werden.