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Koran statt Musik

Von WZ Online / Christa Hager

Politik

Im Norden Malis haben islamistische Banden die Macht übernommen, Musiker flüchten.


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Mali inspiriert und begeistert seit Jahrzehnten Menschen aus aller Welt mit seiner vielfältigen Musikszene: Sei es durch die Künstler in der Tradition der Griots, die Jahrhunderte als fahrende Musiker durch die Länder zogen, sei es durch die Blueslegende Ali Farka Touré, den Elvis aus Mali, Boubacar Traoré, oder sei es durch die Nomadenrocker Tinariwen: das Land ist international berühmt für seine musikalische Tradition und Qualität. Doch in Mali droht eine islamitische Revolution und damit das Verstummen der musikalischen Vielfalt wenn nicht von Musik überhaupt.

Im Norden des Landes haben islamistische Banden die Macht übernommen und "weltliche Musik" verboten. Mit satanischer Musik müsse Schluss sein, stattdessen müsse es Koranverse geben, gab im August ein Sprecher der islamistischen Bewegung für die Einheit und den Jihad in Westafrika (MUJAO) bekannt.


In der westafrikanischen Republik stürzte im März dieses Jahres eine Gruppe von Soldaten den langjährigen Präsidenten Amadou Toumani Touré. In dem Machtvakuum nach dem Putsch gelang es Tuareg-Rebellen und mehreren islamistischen Gruppen, den Norden Malis unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Tuareg-Rebellen wurden jedoch zunehmend von den Islamisten der MUJAO und des Al-Kaida-Ablegers Ansar Dine vertrieben – zu den Tuareq zählt auch die bekannte Band Tinariwen, die traditionelle Klänge der Nomanden mit Elementen der westlichen Rockmusik vermischt.

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Das Verbot bedeutet auch ein Ende der vielen Musikfestivals die dort viele Jahre lang stattgefunden haben. So zum Beispiel seit 2001 das Desert Festival nahe Timbuktu. Wegen des Musikverbots im kommenden Jahr wird das Festival wandern -  in guter "nomadischer Tradition", wie die Festivalleitung mitteilte. Die Musikkarawane werde in Mauretanien beginnen und via Burkina Faso in Bamako, in Malis Hauptstadt, enden. "Der brutale Klang der Waffen und das Geschrei der Intoleranz können die Klänge der Imzag (Violine), der Tinde (Trommel) und die Gesänge der Griots nicht zum Verstummen bringen", heißt es auf der Website der Veranstalter weiter dazu.

"Kultur ist unser Öl

Einer der prominentesten Vertreter der Griots ist der renommierte Kora-Spieler Toumani Diabaté. Gegenüber dem The Guardian betonte der Künstler die Rolle Malis im internationalen Musikgeschäft: "Kultur ist unser Öl, Musik unser Reichtum. Es gibt keinen einzigen wichtigen internationalen Musikpreis, den noch kein malischer Künstler gewonnen hat" (siehe Bildergalerie).

Doch das internationale Renommee  hilft den Musikern derzeit wenig: Nach Angaben des Guardian haben in der Zwischenzeit fast alle Musiker den Norden Malis verlassen, gemeinsam mit mehr als 500.000 anderen Maliern, von denen die meisten nun in Flüchtlingslager in Algerien, Mauretanien, Niger oder Burkina Faso dahinvegetieren. Es ist die größte humanitäre Katastrophe, die die Menschen im Sahel-Raum bisher erlebt haben. Und: "Es gibt keine Musik mehr dort", sagt Vieux Farka Touré, der Sohn von Ali Farka Touré, König des Westafrikanischen Blues.

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Seine Familie stammt aus Niafunké, südwestlich von Timbuktu, beide mittlerweile unter Kontrolle der Islamisten. "Nicht einmal Zuhause kann man das Radio oder den Fernseher einschalten", klagt er gegenüber The Guardian. "Würde [mein Vater] Ali aus seinem Grab auferstehen, er würde sofort ein zweites Mal sterben, wenn er sieht, was hier geschieht". Vieux Farka Touré ist inzwischen mit seiner Familie in den Süden in die Hauptstadt Bamako geflüchtet.

Geschlossene Clubs

Aber auch dort ist die Musik in der Krise. Seit dem Militärputsch im März herrscht in Bamako Angst und Depression. Der Militärputsch und der tägliche Anblick von Soldaten hinterlassen Spuren: Viele Lokale, darunter das Le Diplomat, wo der Kora-Spieler Toumani Diabatè regelmäßig mit seiner pan-afrikanischen Big Band Symmetric Orchestra gastierte, sind laut Angaben des The Guardian mittlerweile geschlossen. Ebenso wie viele Hotels, Musikclubs und Restaurants. Die Einzigen, die ihre Stimme nach wie vor (vor)laut erheben, sind die Rapper, darunter der junge Amkoullel: "Wir brauchen einen säkularen, toleranten Staat, in dem jeder sich zu seiner Religion bekennen kann, egal welche", sagt er.

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Viele MusikerInnen, deren Klänge nun im Norden des Landes verboten sind, bekennen sich zu Islam. "Ich bin Muslima, aber die Sharia ist nichts für mich", sagt Rokia Traoré, eine der berühmtesten internationalen Stars aus Mali: "Wenn ich nicht mehr auf die Bühne dürfte, müsste ich sterben". Aber auch Mali würde aufhören zu existieren, wenn es keine Musik mehr gebe, sagt sie.


Siehe dazu auch die Dokumentation auf Arte: Mali - Musik gegen Islamisten und das Interview des Bassisten der Tuareq-Band Tinariwen, Eyadou Ag Leche: "Wir wollen als freie Menschen in unserer Heimat leben"

Siehe dazu auch die Dokumentation auf Arte: Mali - Musik gegen Islamisten und das Interview des Bassisten der Tuareq-Band Tinariwen, Eyadou Ag Leche: "Wir wollen als freie Menschen in unserer Heimat leben"

Desert Festival

<a target="_blank" href="http://www.guardian.co.uk/world/2012/oct/23/mali-militants-declare-war-music">The Guardian: Mali: no rhythm or reason as militants declare war on music</a>