Kim Jong-un und Moon Jae-in wollen die koreanische Halbinsel denuklearisieren und für Frieden sorgen.
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Panmunjom/Wien. Auch für einen Witz war Platz. Während seiner Zusammenkunft mit Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in hat sich Nordkoreas Diktator Kim Jong-un dafür entschuldigt, dass er Moon mit seinen Raketentests immer so früh geweckt habe.
Dass Kim sich zu diesem Scherz hinreißen ließ, passt zu der Atmosphäre dieses Gipfels, der in Panmunjom auf der südkoreanischen Seite der Grenze stattfand. Moon und Kim lächelten viel, schüttelten Hände, umarmten sich -und auch sonst waren auf diesem Gipfel, der teilweise live im koreanischen Fernsehen gezeigt wurde, bei den Delegationsmitgliedern ständig strahlende Gesichter zu sehen. Wenn der Gipfel hält, was seine Abschlusserklärung verspricht, dann wird er in die Geschichte als das Treffen eingehen, das das Ende einer der letzten Schlachten des Kalten Krieges eingeläutet hat. Wenn nicht, dann hat er Hoffnung geschürt, die enttäuscht wurde.
"Panmunjom-Erklärung für Frieden, Wohlstand und Vereinigung der koreanischen Halbinsel" nannten die beiden Staatschefs ihre Gipfelerklärung. In ihr schrieben sie Großes fest: Nicht weniger als einen dauerhaften Frieden wollen sie erreichen und eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel.
Dass diese eine der waffenstarrendsten Regionen der Welt ist, ist noch eine Folge des Kalten Krieges. Der Korea-Krieg ist auch 65 Jahre nach seinem Ende der lange Schatten, den die beiden Länder nicht loswerden und unter dem auch dieser Gipfel stand. Unterstützt von der Sowjetunion und China überfiel der Norden 1950 den Süden. Dem sprang eine von den USA geführte UNO-Truppe zur Seite. Der dreijährige Krieg brachte keinen Sieger, aber Zerstörungen in einem unbeschreiblichen Ausmaß: Geschätzt 4,5 Millionen Menschen fanden den Tod, dutzende Städte waren zerbombt, zehntausende Familien wurden getrennt.
Absichten, aber kein konkreter Plan zur Abrüstung
Der Süden wurde danach zu einem der wohlhabendsten Staaten der Welt, verwandelte sich von einer Diktatur in eine Demokratie. Der Norden ist bis heute eine verarmte, brutale Diktatur mit Bunkermentalität, angeführt von der Familiendynastie der Kims, die sich kultisch verehren lässt.
Und sowohl Staatsgründer Kim Il-sung als auch sein Sohn Kim Jong-il sowie sein Enkel Kim Jong-un sahen bisher den Besitz der Atombombe als Überlebensgarantie für ihr Regime an. Kim Jong-un hatte noch im vergangenen Jahr seine Atom- und Raketentests derart hochgefahren, dass in Ostasien die Kriegsangst umging. Nun will Kim, der den Besitz von Atomwaffen noch vor ein paar Tagen als "großen Sieg" gefeiert hat, plötzlich zur Denuklearisierung bereit sein. Ist dem zu trauen?
Skepsis ist durchaus angebracht. Denn in dem Gipfel-Dokument ist nur sehr allgemein vom "Ziel einer vollständig atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel" die Rede. Es fehlt aber ein Zeitrahmen, der festlegt, bis wann das geschehen soll. Ausgespart ist auch, durch welche konkreten Schritte Nordkorea sein soeben erst aufgebautes Atomwaffenarsenal vernichten soll.
Zudem haben sich die Nordkoreaner genügend Hintertüren offen gelassen, um noch eigene Bedingungen zu stellen. Und offiziell fordert Pjöngjang noch immer, dass die rund 30.000 in Südkorea stationierten US-Soldaten abgezogen werden, wovon freilich die USA - deren Truppen in Ostasien auch eine Botschaft an die aufstrebende Weltmacht China sind - nichts wissen wollen.
Generell gilt: Nichts geht auf der koreanischen Halbinsel ohne den USA und kaum etwas ohne China. Deshalb wollen die beiden Koreas nun auch mit Washington und Peking verhandeln, um den Waffenstillstand in einen Friedensvertrag zu verwandeln und so den Korea-Krieg formell zu beenden.
Das nächste Treffen steht auch schon vor der Tür: In den kommenden Wochen wollen sich Kim Jong-un und Donald Trump zusammensetzen, und für diese Zusammenkunft diente der innerkoreanische Gipfel als Vorlage.
Der US-Präsident kann nun den Ball, den ihm Kim und Moon zugespielt haben, aufnehmen und die Politik der Entspannung fortsetzen. Das hat er offenbar auch vor. "Koreakrieg vor dem Ende", twitterte Trump, der sich wie viele internationalen Politiker über das Ergebnis des Gipfels erfreut zeigte.
Jedoch hat Trump immer betont, dass er von Nordkorea die völlige nukleare Abrüstung fordert. Ohne diese gibt es kein Ende und auch keine Lockerung der Sanktionen. Diese haben Nordkorea hart getroffen. Die Strafmaßnahmen loszuwerden, würde Kim enorm helfen. Einige Beobachter vermuten, dass er nun deshalb so entgegenkommend auftritt, weil sein bitterarmes Land dringend den Anschluss an die internationalen Märkte braucht.
Große Worte gab es bereits in der Vergangenheit
Am Freitag gab der von Schwester und Ehefrau begleitete Kim den Versöhner. Mit dem Übertreten der Demarkationslinie hat er als erster nordkoreanischer Staatschef einen Fuß auf Südkoreas Boden gesetzt. Spontan forderte er Moon auf, auch nordkoreanisches Staatsgebiet zu betreten - was dieser kurz unternahm. "Jetzt beginnt eine neue Ära", schrieb Kim in einem Gästebucheintrag: "ein Zeitalter des Friedens".
Ähnliche Worte hat man aus Korea aber schon gehört. Nämlich bei den ersten beiden innerkoreanischen Gipfeln in den Jahren 2000 und 2007. Auch damals war die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts groß. Doch diese zerstob, Nordkorea arbeitete trotz aller Beteuerungen und Verhandlungen weiter an seinem Atomprogramm. Deshalb ist all das viele Lächeln vom Freitag noch nicht mehr als eine Geste.
Die Gipfel-Erklärung
Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und Südkoreas Präsident Moon Jae-in in haben den Gipfel mit einer gemeinsamem Erklärung abgeschlossen. Die wichtigsten Punkte sind:
Die beiden Staatschefs erklären, dass es keinen Krieg mehr auf der koreanischen Halbinsel geben werde.
Beide Seiten bekräftigen das gemeinsame Ziel einer vollständig atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel.
Im nordkoreanischen Gaesong wird ein Büro für die gegenseitigen Beziehungen eröffnet.
An einzelnen Sportereignissen wie den Asien-Spielen 2018 nehmen die Teams beider Länder gemeinsam teil.
Am 15. August ist eine Familien-Zusammenführung geplant.
Zur Beseitigung der Kriegsgefahr werden "alle Feindseligkeiten, zu Land, zu Wasser und in der Luft" eingestellt.
Die Entmilitarisierte Zone wird zu einer "Friedens-Zone" umgebaut. Ab dem 1. Mai werden Propaganda-Sendungen und der Abwurf von Flugblättern eingestellt.
Im Mai finden Gespräche von Militärs statt.
Moon wird Nordkorea im Herbst besuchen.
Die Abrüstung erfolgt in Schritten entsprechend der Verringerung militärischer Spannungen.
Beide Seiten streben trilaterale Treffen mit anderen Staaten - darunter die USA - oder Treffen in Viererrunde mit den USA und China an. Ziel ist, den offiziellen Kriegszustand zu beenden und dauerhaften Frieden zu erreichen.