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Korridor für Pensionsantritt gefordert

Von Brigitte Pechar, Alpbach

Politik

Geht es nach Vizekanzler Herbert Haupt, soll die Harmonisierung schon ab 1. Jänner 2004 umgesetzt werden. Um und Auf der Reform ist die Schaffung eines leistungs- und beitragsorientierten Pensionskontos. Der Sozialminister kann sich auch die Einführung eines Korridors zwischen 62 und 67 Jahren als Antrittsalter vorstellen, wobei das Regelpensionsalter bei 65 bleiben soll. Auch die Wirtschaftskammer drängt und hat gestern ihr Reformkonzept für das Sozialsystem bis 2050 vorgelegt. Der ÖGB wird sein Konzept im Herbst präsentieren.


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Druck auf die europäischen Sozialsysteme erfolgt von mehreren Seiten. Durch die demografische Entwicklung, den internationalen Wettbewerb und politisch-ideologische Diskussionen. Ob der europäische Sozialstaat Zukunft hat, wurde gestern im Rahmen der Reformgespräche des Forum Alpbach diskutiert. Für Wifo-Chef Helmut Kramer soll das europäische Sozialmodell verteidigt werden, jedoch ein stark reformiertes: Mit einer Reform des Pensions- und Gesundheitssystems, Erhöhung von Erwerbsquote und Produktivität, mehr Anstrengungen bei Ausbildung und Qualifikation und eine europäische Steuerkoordinierung.

Heute erhalten 100 Erwerbsfähige 23 Pensionisten und 25 Kinder. Im Jahr 2050 werden 100 Erwerbsfähige knapp 50 Pensionisten und rund 23 Kinder erhalten. Bereits jetzt wird jeder zweite Euro der Sozialausgaben für die Pensionsen aufgewendet, daher ist dort eine Reform vordringlich. Auch für WK-Präsident Christoph Leitl soll die Harmonisierung ab 1. Jänner 2004 gelten. Und aller Voraussicht nach wird diese neue Reform jene von 2003 ersetzen. Die Faustformel lautet 45 Beitragsjahre, 65 Antrittsalter, 80 Prozent des Durchschnittseinkommens.

Das Pensionskonto-Modell der WK berücksichtigt die steigende Lebenserwartung: Pensionsbeitrag + Einzahlung aufgrund von sozial bedingten Unterbrechungen x Aufwertung = Pensionskapital dividiert durch die fernere Lebenserwartung = monatliche Bruttopension. Auch ein Korridor, wie ihn Haupt angedacht hat, ist für Leitl denkbar. Auf eventuelle Zu- und Abschläge wollte sich Leitl nicht festlegen, kann sich aber bei Erfüllung eines Bündels an Maßnahmen auch 12 Prozent wie in Schweden vorstellen. Haupt will sich in die Debatte um Abschläge bei vorzeitiger Pension nicht einbringen. Das sei Sache der Sozialpartner, sagt er gegenüber der "Wiener Zeitung". Für den Leitenden Sekretär im ÖGB, Richard Leutner, wären Zu- und Abschläge von 4,22 Prozent, wie sie heuer festgelegt wurden, überhaupt erst ab 2010 einzuführen.

Haupt bleibt vorerst beim Regelpensionsalter 65 in eben diesem Korridor. Abgeschlossen ist die Pensionsreform für ihn erst, wenn ein leistungs- und beitragsorientiertes Pensionskonto wirksam wird. Vorstellbar ist, dass "jene, die den Generationenvertrag umfassend erfüllen, besser honoriert werden" - Familienzeiten sollen verstärkt berücksichtigt werden, aber auch "Unbilligkeiten des Arbeitslebens" etwa Belastungen im Straßenbau.

Harmonisierung: Schüssel hat schwierigsten Teil

Die Ausarbeitung des Pensionskontos für die ASVG-Pensionisten sei schon weit gediehen. Einen Gesetzesantrag will der Vizekanzler Ende des Jahres "auf Schiene" haben. Bei einem Runden Tisch Ende August oder im September werde man die Schritte diskutieren. Wobei Haupt nicht bestreitet, dass Kanzler Wolfgang Schüssel, der die Beamtenagenden wahrnimmt, einen der "schwierigsten Teile" zu leisten haben wird: Die Disharmonisierung von 1995 wieder auszugleichen und in ein einheitliches System überzuführen, werde erhebliche Anstrengungen erfordern.

Für den ÖGB kommt die Berücksichtigung der steigenden Lebenserwartung nicht in Frage: "Das wäre dann ein beitragsorientiertes Pensionskonto, was wir nicht wollen." Leutner plädiert für ein leistungsorientiertes Pensionskonto (Beitragsgrundlage x Steigerungsbetrag). Damit wären auch keine rückwirkenden Eingriffe möglich - jeder wüsste, was er oder sie in der Pension zu erwarten hätte. Ob die Harmonisierung ab 1. Jänner komme, sei eine Frage des Übergangsrechts. Eckpunkt jeder Reform ist für den ÖGB ein Arbeitsmarktbegleitgesetz, das die Chancen für Ältere erhöht.

Lob zollte Sozialexperte Bernd Marin dem Vorstoß Haupts für einen Korridor. Er würde das Alter aber nicht festsetzen: Jemand, der mit 55 genügend Ansprüche auf eine Mindestpension gesammelt hat, sollte sich aus dem Erwerbsleben zurückziehen können. Ebenso müsste es auch jedem frei stehen, so lange zu arbeiten, wie er/sie will. Das Referenzalter 65 sollte alle fünf Jahre um den Faktor x für die steigende Lebenserwartung ergänzt werden. "Wenn das in Verbindung mit einer Pensionsverfassung gemacht wird, die Beitragsgerechtigkeit und sozialen Ausgleich vorsieht, werden auch unsere Urenkel noch eine ordentliche Pension erhalten". Bis 2020 sollte die Harmonisierung abgeschlossen sein.

Für alle derzeit in Pension Befindlichen bleibt er bei seiner Forderung, dass Leistungen, die nicht durch eigene Beiträge gedeckt sind, bis zu 48 Prozent besteuert werden. Spätestens zwischen 2006 und 2010 werde eine solche "Pensionistensteuer" kommen, prophezeit Marin. Diese ist für ihn unabwendbar.