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Korruption bleibt immer und überall?

Von Reinhard Binder und Konstanze Walther

Wirtschaft

Neues Gesetz bleibt unklar und strittig. | Für viele zu hart, für andere zu wenig. | Wien. In Österreich neige man zu einem fehlenden Unrechtsbewusstsein, hieß es bei der vergangenen Präsentation der Nicht-Regierungsorganisation "Transparency International" im Jahr 2007. Österreich hatte sich damals um vier Plätze verschlechtert (von Rang 11 im Jahr davor auf Rang 15).


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Die österreichische Regierung konterte mit einem verschärften Anti-Korruptionsgesetz, das im Jänner 2008 in Kraft trat. Ein gutgemeintes Gesetz, das aber tief in die bisher gewachsenen Verflechtungen und Funktionsweisen des Landes Österreich eingreift.

"Gängige Praktiken in der Wirtschaft wie Essenseinladungen, Einladungen zu Kulturveranstaltungen oder auch Weihnachtsgeschenke wurden zu großen Teilen unter Strafe gestellt", erklärt der Rechtsanwalt Jörg Zehetner.

Er versteht zwar, dass solche Geschenke unter dem Blickwinkel des Anfütterns problematisch sind - doch die neue Regelung "entspricht nicht dem bisherigen Usus. Zuvor war den Kulturveranstaltern nahegelegt worden, sich Sponsoren - statt staatliche Förderungen - zu suchen." Doch wozu die Salzburger Festspiele mittels Karten-Großeinkaufs fördern, wenn man die Sitzplätze nur an seine Tanten und Onkel abtreten kann - statt an Geschäftspartner oder Amtsträger?

Eine unangenehme Situation im Hochkulturland Österreich. In der Kulturszene war Feuer am Dach - und die Wirtschaft begann Druck zu machen. "Knapp vor der Wahl gab es einen Initiativantrag von der ÖVP", erinnert sich Zehetner. Man wollte das Gesetz entschärfen.

Doch das ist wieder in Vergessenheit geraten. Aus dem Bundeskanzleramt hört man sogar von Vorstößen hin zur Verschärfung: Denn das Gesetz habe einen "offenkundigen Mangel", heißt es aus Kreisen: Es ist auf Nationalratsabgeordnete nicht anwendbar. Jene Amtsträger sind vom Anfütterungstatbestand explizit ausgenommen.

Das heißt: Eine Spritztour mit dem Segelboot oder ein Upgrading im Flugzeug macht vielleicht keinen schlanken Fuß, ist aber strafrechtlich unbedenklich.

Weiter unten in der Hierarchie hingegen darf der eine oder andere Wirtschaftsboss nur bis zu 100 Euro für seine Freunde in den Amtsstuben springen lassen.

"Hier ist auch die Abgrenzung sehr schwer", weiß Zehetner: Gelten diese 100 Euro pro Jahr? Oder nur pro Premium-Ticket bei der Europameisterschaft?

Brennpunkt Beschaffung

"Die 100 Euro sind wohl für eine einheitliche Handlung zu betrachten - beispielsweise für fünf Essenseinladungen aus Anlass einer Ausschreibung", so Zehetner.

Essen gehen, um sich einmal über den Beschaffungsauftrag zu unterhalten, ist jedenfalls billiger, als eine Opernball-Loge.

Und gerade im Beschaffungswesen sei Korruption "weit verbreitet", kritisiert etwa der Grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz, der vergangene Woche schärfere Gesetze zur Korruptionsbekämpfung gefordert hat. Er bemängelt fehlende Vorschläge zur Korruptionsbekämpfung im neuen Regierungsprogramm. "Es gibt immer noch kein Strafgesetz, das den Ausschreibungsbetrug unter Strafe stellt, denn ein voller Betrug ist in der Praxis nur schwer nachzuweisen." Die Folgen seien gravierend: Fehlentscheidungen und Fehlinvestitionen verschwenden Steuergeld.

Und die heimischen Verhaltensregeln für Beamte bei der Beschaffung seien - neben den EU-rechtlichen Vorgaben - rein kosmetisch. "So ein Code of Conduct" eben, heißt es aus dem Bundeskanzleramt: Freiwillige Selbstbindung. "Unbefriedigend", nennt hingegen Ilan Fellmann, Verwaltungsexperte und ehemaliger Revisor der öffentlichen Verwaltung den "Code of Conduct". Der Experte hat vergangene Woche ein ein Buch zu diesem Thema präsentiert. Den "Code" für Beamte schätzt er "ein Papier ohne Relevanz" ein. "Schade um den Aufwand."