Partei "Öffentliche Angelegenheiten" wollte Abgeordnete bestechen. | Dubioser Millionär und Ex-Minister führt Bewegung an. | Prag. Angetreten war die tschechische Regierung, mit dem Versprechen, die Korruption im Land auszumerzen. Nach knapp einem Jahr im Amt ist es wahrscheinlicher, dass das Kabinett wegen eigener Korruptionsaffären stürzt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ins Wanken gebracht hat die Regierungskoalition aus der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), TOP 09 und der Partei "Öffentliche Angelegenheiten" (VV) die VV. Sie hat die Loyalität ihrer Abgeordneten mit Bestechungsgeldern erkaufen wollen.
Dabei ist die VV weniger eine ernstzunehmende politische Partei als die Manifestation der Ambitionen eines einzigen Mannes: der grauen Eminenz der Bewegung, Vit Barta. Bis zum Bestechungsskandal war er noch Verkehrsminister.
Der 37-jährige Millionär, Maserati-Fahrer und Napoleon-Fan hatte angeblich versucht, die VV-Abgeordneten Jaroslav Skarka und Krystina Koci mit Zahlungen von 7000 beziehungsweise 20.000 Euro an sich zu binden.
Brisante Protokolle
Der Nachrichtenserver Tyden.cz berichtete am Donnerstag von der Existenz eines geheimen Abhörprotokolls, in dem sich Koci bekennt, seit einem Dreivierteljahr mit Hilfe der ODS von Ministerpräsident Petr Necas, einen innerparteilichen Putsch in der VV zu planen. Dafür soll Koci von der ODS ein sicherer Listenplatz bei den nächsten Europawahlen versprochen worden sein. Dass die ambitionierte 26-Jährige in der VV unzufrieden ist und mit hohen Parteifunktionären der ODS klüngelt, war schon länger kein Geheimnis mehr.
Die eigene Partei griff Koci immer mehr an. "Die VV ist eine Sekte", sagte sie. Und ihr Führer Vit Barta sei ein glänzender Manipulator, der sich wunderbar darauf verstehe, anderen das Gehirn zu waschen. Die "Sicherheitsagentur" ABL, mit der sich Barta seine Millionen verdient hat, ist nicht nur dafür bekannt, dass sie für die Bewachung des AKW Temelin zuständig ist, sondern besonders auch dafür, dass sie tschechische Politiker und Spitzenmanager ausspioniert.
Über die VV wolle nun die ABL den tschechischen Staatsapparat infiltrieren, deshalb müsse sie aus der Koalition verschwinden, glaubt die Regierungspartei TOP 09. "Das hier ist viel gefährlicher als andere Causen", wütet Miroslav Kalousek, Finanzminister und stellvertretender Vorsitzender der TOP 09, der Partei von Außenminister Karel Schwarzenberg. "Was wir hier sehen, ist die Privatisierung der öffentlichen Macht." Dennoch hat sich TOP 09 bereit erklärt, auch weiterhin in einer Dreierkoalition mit der VV zusammenzuarbeiten.
Premier Necas besteht darauf, zwei weitere Minister der VV abzusetzen. Die Ressorts Inneres und Bildung sollen nicht in den Händen von Leuten bleiben, die eng mit der ABL verbunden sind, findet Necas.
Die Kabinettsumbildung scheitert momentan noch an Präsident Vaclav Klaus. Der weigert sich, diese ohne weitere konkrete Pläne zu bewilligen. Im Augenblick wird hinter verschlossenen Türen über sieben Varianten diskutiert. Ob auch Neuwahlen darunter sind, ist nicht bekannt. Dies wäre die Option, die sich die Mehrheit der tschechischen Wähler wünschen würde. Im Lichte der neuesten Regierungskrise erklären zwei Drittel, sich für ihre Politiker zu schämen.