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Kosmisches Pingpong-Spiel

Von Roland Knauer

Wissen
Mehr als die Hälfte der von der Europäischen Südsternwarte erforschten 27 Planeten dreht sich "andersrum". Foto: eso

Nicht alle Planeten kreisen so um die Sonne, wie deren Achse sich dreht. | Was große Planeten aus der Bahn kippt. | Berlin. "Eigentlich hatten wir das nicht für möglich gehalten", staunt Heike Rauer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Die Forscherin beschäftigt sich mit fremden Planetensystemen, in denen die Himmelskörper nach der gängigen Theorie in der gleichen Richtung und Ebene um ihre Sonne kreisen sollten wie diese sich um ihre eigene Achse dreht. Genau das aber tun mehr als die Hälfte der 27 Planeten nicht, die jetzt von der europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile genauer untersucht wurden.


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Planetensysteme entstehen aus riesigen Wolken aus Gas und Staub, durch die das Licht ein Jahr unterwegs sein kann, obwohl es pro Sekunde 300.000 Kilometer zurücklegt. Die riesige Schwerkraft der Wolke zieht die Teilchen mit immer größerer Geschwindigkeit in das Zentrum des Gebildes. Schließlich bildet sich eine immer noch gigantische Scheibe, die um ihr eigenes Zentrum kreist, zeigen die klassischen Gesetze der Physik.

Im Inneren zieht sich die Materie dann weiter zu einer Sonne zusammen, weiter außen kondensieren die viel kleineren Planeten. "Um die Umlaufbahn dieser Planeten aus der Scheibe herauszubringen, braucht man sehr viel Energie", erklärt Heike Rauer weiter. Deshalb kreisen im System der irdischen Sonne alle Planeten nach wie vor in der gleichen Ebene und Richtung um das Zentralgestirn, wie sich einst die Scheibe drehte, aus der alles entstand.

Seit Michel Mayor und Didier Queloz von der Universität Genf 1995 die ersten Planeten entdeckten, die um Sonnen weit außerhalb unseres Systems kreisen, hat dieses Modell aber mit Schwierigkeiten zu kämpfen. So sollten große Gasplaneten wie der Jupiter und der Saturn relativ weit entfernt von ihrer Sonne entstehen und für einen Umlauf einige Jahre benötigen. Sehr viele dieser seither entdeckten Riesenplaneten aber kreisen tatsächlich in wenigen Tagen und so nah um ihre Sonne, dass sie kräftig aufgeheizt werden. Bisher nahm man daher an, dass solche "heißen Jupiter" zwar weit draußen in der Staubscheibe entstehen, dann aber von der Scheibe abgebremst werden und so im Laufe weniger Millionen Jahre nach innen wandern. Aus den Resten der Scheibe könnten dann außerhalb ihrer heißen Innenbahn kleine und schwere Planeten entstehen, die ähnlich wie die Erde oder der Mars aufgebaut sind.

Schlechte Bedingungen für Entstehen von Leben

Nach diesem Modell aber müssten die "heißen Jupiter" in der gleichen Ebene und Richtung wie diese selbst um ihre Sonne kreisen. Genau das aber tut mehr als die Hälfte der jetzt untersuchten 27 Riesenplaneten nicht. Sechs von ihnen sausen sogar entgegen der Drehrichtung ihrer Sonne um diese herum. Die gewaltige Energie für das starke Kippen der Umlaufbahnen aber kann kaum von der Staubscheibe kommen. Passieren könnte das aber durch andere Riesenplaneten oder Begleitsterne, die einem zunächst noch "kalten Jupiter" zu nahe kommen. Deren riesige Schwerkraft könnte genug Kraft ausüben, um den Riesenplaneten aus seiner Bahn zu kippen und ihn dabei in eine exzentrische Ellipsenbahn zu bringen.

Bei zwei entgegengesetzt kreisenden "heißen Jupitern" haben die Forscher auch gleich potenzielle Kandidaten für solche Kippmanöver entdeckt. Kommt der gekippte Planet dann in die Nähe seiner Sonne, bremsen ihn die Gezeitenkräfte ab. Nach ein paar hundert Millionen Jahren hätten diese kleinen, aber immer wiederkehrenden Bremsmanöver den Planeten zu einem heißen Jupiter gemacht und ihn in eine kreisförmige enge Umlaufbahn um den Stern gezwungen, die zur Drehrichtung der einstigen Staubscheibe völlig willkürlich geneigt sein kann.

Diese Theorie hat freilich aus Sicht eines Exobiologen einen gravierenden Nachteil, erklärt DLR-Forscherin Heike Rauer: Die anderen Riesenplaneten beeinflussen mit ihrer Schwerkraft natürlich auch die kleineren Planeten, die ähnlich wie die Erde oder der Mars dimensioniert sind. Nur werden diese "Zwerge" von den Kräften dann viel stärker gebeutelt und so leicht in die Sonne oder aus dem Planetensystem herausgeschleudert. Für die Entstehung von Leben aber wären das denkbar schlechte Voraussetzungen.