Ein UNO-Polizist aus Nigeria starb gestern bei der Explosion einer Autobombe im Kosovo, vergangenen Freitag wurde ein 16-jähriger Albaner von der serbisch-montenegrinischen Grenzwache erschossen, als er illegal die kosovarisch-mazedonische Grenze überschreiten wollte, bei Unruhen im März des Vorjahres kamen 28 Menschen ums Leben. Eigentlich sollte heuer geklärt werden, welchen Status die südserbische Provinz Kosovo künftig haben soll, doch dieser Versuch sei angesichts der instabilen Lage zum Scheitern verurteilt, warnten Mittwochabend Experten im Rahmen einer Podiumsdiskussion.
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Die Unabhängigkeit des Kosovo kommt für die Serben nicht in Frage, aber für die Kosovo-Albaner gibt es nichts anderes. Das Konzept der internationalen Gemeinschaft vor der Neuregelung des Kosovo-Status demokratische, wirtschaftliche und menschenrechtliche Standards zu schaffen, hat nicht funktioniert.
Die Akteure befinden sich in einer Sackgasse: Es gibt kaum einen Schritt, der getan werden kann, ohne dabei das Gesicht - oder Wählerstimmen zu verlieren.
Hinter den Kulissen würden serbische Vertreter aber sehr wohl über eine mögliche Unabhängigkeit des Kosovo und dessen Preis (Schuldenerlass etc.) sprechen - das sei ein offenes Gehemnis, sagte Balkan-Experte und Soziologieprofessor Michael Daxner gestern im Rahmen einer Veranstaltung des Zukunftsforums in Kooperation mit dem IDM und der Investkredit. Öffentlich würde allerdings niemand solche Aussagen wagen. "Jetzt keine Unabhängigkeitsgespräche", meint Daxner. Seiner Ansicht nach sollte das internationale Mandat der UN-Mission im Kosovo (UNMIK) verlängert werden. "Die zivilen Institutionen müssen gestärkt werden - Schulen, Krankenhäuser, ein Pensionssystem geschaffen werden", konkretisiert Daxner gegenüber der "Wiener Zeitung". Ein Staat könne schließlich erst dann entstehen, wenn die nötigen Strukturen geschaffen sind. Vorrangiger sei dabei die Bildung zwecks Entwicklung von demokratischen Eliten, die schließlich eine zivilgesellschaftliche Demokratie herstellen sollten.
"Aus Angst vor einer Eskalation wartet die internationale Gemeinschaft zu", kritisierte der Politologe Vedran Dzihic die Untätigkeit. Eine Lösung der Statusfrage im Jahr 2005 käme einer Quadratur des Kreises gleich - er glaubt daher nicht, dass dies heuer noch zu Stande kommt.
Weitere Eskalationen werden befürchtet, sollte der kosovo-albanische Premierminister Ramush Haradinaj vom UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien angeklagt werden. Ihm wird vorgeworfen, im Vorfeld des Kosovo-Krieges (1998/99) an der Ermordung von serbischen und nicht-kooperationswilligen albanischen Zivilisten beteiligt gewesen zu sein. Das UNO-Tribunal wird seine letzten Anklagen in den nächsten zwei bis drei Wochen vorlegen. Ob auch Haradinaj angeklagt wird, ist noch nicht klar.
Von einer Lösung des Problems ist man also nach wie vor weit entfernt, aber zumindest scheint die Bedeutung des Konflikts wieder mehr in das Blickfeld der Politik zu rücken. Südosteuropa und speziell der Kosovo sollen während des slowenischen Vorsitzes eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sein, erklärte der slowenische Außenminister und amtierende Vorsitzende Dimitrij Rupel gestern in Wien. Und auch der Luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker hob diese Woche anlässlich des Auftakts des Luxemburger EU-Vorsitzes vor dem EU-Parlament in Straßburg die Bedeutung des Balkans und des Kosovo für die EU hervor.
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