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Kosovo-Frage bringt Serbien unter Druck

Von WZ-Korrespondentin Marijana Miljkovic

Politik

Serbische Parallelstrukturen im Kosovo sind für EU besonderer Störfaktor.


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Belgrad. Nun gilt es für Serben und Kosovaren, wieder in Brüssel den Dialog zu suchen: Die von der EU moderierten Gespräche zwischen den jeweiligen Premiers Ivica Dacic auf serbischer und Hashim Thaci auf kosovarischer Seite, sollen heute, Dienstag, und morgen, Mittwoch, fortgesetzt werden. Am Wochenende hatten die Feierlichkeiten zum fünften Unabhängigkeitstag des Kosovo in Pristina auf serbischer Seite noch für Unzufriedenheit gesorgt.

Serbien ist unter Druck, von Brüssel ein Datum für den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen zu erhalten, und hat daher in der Kosovo-Frage immer weniger Spielraum zum Taktieren. Der Kosovo, der 2008 seine Unabhängigkeit erklärte und vor einem Jahr mit dem Ende der internationalen Überwachung souverän wurde, will sich endlich des serbischen Einflusses entledigen.

Doch von einer wirklichen Unabhängigkeit ist das Land weit entfernt, sei es im politischen oder im wirtschaftlichen Bereich. Der internationale Einfluss, insbesondere der USA, ist groß. EU-Strukturen, wie etwa die Rechtsmission Eulex, konnten bisher wenig bewirken. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Korruption allgegenwärtig, die Politik mit sich selbst und nicht mit den Problemen des Volkes beschäftigt. Der Kosovo wurde erst von 99 der 193 UNO-Mitgliedsstaaten anerkannt, abgesehen von Serbien auch von fünf EU-Staaten nicht, darunter etwa die Slowakei oder Spanien, das selbst mit Sezessionsbewegungen im eigenen Land zu kämpfen hat. Die Mitgliedschaft in der UNO und der Nato blieb dem Kosovo verwehrt. Fast tägliche Zwischenfälle - wie etwa ein Bombenanschlag am Sonntagabend in Mitrovica gegen ein von Serben bewohntes Haus, bei dem aber niemand verletzt wurde -, wecken Zweifel an der Sicherheit der Region.

Belgrad sucht Kompromiss

Der Dialog zwischen Dacic und Thaci soll sich auf einen aus EU-Sicht besonderen Störfaktor beziehen, die serbischen Parallelinstitutionen im Norden des Kosovo, der mehrheitlich von Serben bewohnt wird. Dass Schulen, Spitäler, Verwaltung, Polizei und die Justiz von Belgrad finanziert werden, soll endlich ein Ende finden. Aber insbesondere die Kosovo-Serben wehren sich dagegen.

"Es gibt keine Abschaffung der serbischen Institutionen, wenn nicht klar ist, was an ihre Stelle treten soll", sagte Serbiens Premier Dacic. Dennoch ging Serbien auf den Kosovo einen bedeutenden Schritt zu, als der serbische Präsident Tomislav Nikolic die Auflösung der Parallelinstitutionen in Aussicht stellte: "Es geht um die Bildung neuer kosovarischer Institutionen, die allerdings von Serben geleitet werden", sagte Nikolic vergangene Woche.

Der Präsident war bei den wichtigsten Themen der serbischen Politik, Kosovo und EU, unfreiwillig in den Hintergrund getreten und kommt nun langsam aus dem Schatten von Premier Dacic. Vor wenigen Wochen noch, als das serbische Parlament eine neue Kosovo-Resolution verabschiedete und sich zu Zugeständnissen gegenüber den Kosovo-Albanern bekannte, wollte Nikolic die Einstellung des Kosovo-Dialogs bewirken.

Als Kompromiss schlug Belgrad die Schaffung neuer Institutionen vor, die sowohl mit der serbischen als auch der kosovarischen Verfassung in Einklang stehen und den Kosovo-Serben Kontakte sowohl zu Pristina als auch Belgrad ermöglichen. Damit will Serbien der Anerkennung seiner ehemaligen Provinz, soweit es geht, aus dem Weg gehen.

Es gibt aber auch Stimmen, die einen stärkeren Kurswechsel fordern: Man könne nicht länger "herumwurschteln", sagte etwa die anerkannte serbische Soziologin und Ex-Politikerin Vesna Pesic. Sie plädierte im serbischen Fernsehen dafür, das Serbien den Kosovo anerkennt - "weil man dieses Problem endlich lösen muss".

Die Anerkennung kann die EU nicht von Serbien verlangen, solange noch fünf EU-Staaten den Kosovo nicht anerkannt haben, sie wird sie jedoch bis zum Schluss der Beitrittsverhandlungen fordern.