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"Kosovo ist europäische Kompetenz"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Rupel: Belastungsprobe für Beziehungen mit Russland. | "Serbien kann Mladic fangen." | Für baldige Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien. | "Wiener Zeitung":In knapp vier Monaten beginnt der slowenische EU-Vorsitz. Wird es in der Kosovo-Frage bis dahin Fortschritte geben? | Dimitrij Rupel: Die Situation ist sehr schwierig, weil die Motivation der Verhandlungspartner eine völlig unterschiedliche ist. Die serbische Seite glaubt, noch alles verändern zu können, die kosovarische Seite ist da reservierter und will beim Ahtisaari-Plan (der eine international überwachte Unabhängigkeit vorsieht) bleiben. Es kann aber noch Bewegung geben.


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Die Serben wollen den Kosovo behalten, dieser will die Unabhängigkeit. Wo kann da der Kompromiss liegen?

Natürlich haben beide Seiten ganz unterschiedliche Erwartungen. Ich habe auch das Gefühl, dass es da wenige substantielle Veränderungen geben wird. Die wirkliche Frage ist, wie die EU ihre Rolle spielen wird. Die Union muss erstens geeint bleiben oder geeint werden…

Wie geeint ist sie denn?

Lassen Sie mich erst erklären, warum die EU der Hauptakteur ist. Kosovo, Serbien und der Westbalkan sind eine europäische Kompetenz, weil ihnen in Aussicht gestellt wurde, einmal Teil der EU werden zu können. Sowohl unsere amerikanischen als auch unsere russischen Freunde haben natürlich ihre Interessen. Aber niemand ist so unmittelbar betroffen wie die EU. Daher müssen wir uns mehr um unsere Anliegen kümmern als um die von anderen. Um dabei ernst genommen zu werden, müssen wir geeint sein. Und die EU ist auch geeint. Oder sagen wir: fast geeint.

Nach Ablauf der derzeitigen Verhandlungen im Dezember kommt die Stunde der Wahrheit. Was wird die EU dann tun?

Jetzt arbeitet die Troika aus EU, USA und Russland einmal recht gut und diplomatisch zusammen. Aber am Ende wird es auf die Frage der Beziehungen zwischen den westlichen Mächten und Russland hinauslaufen - besonders zwischen der EU und Russland. Darauf müssen wir uns wirklich vorbereiten.

Muss die EU also gegen Russland Position beziehen?

Es wird eine Gratwanderung: Natürlich müssen wir Russland an Bord haben. Wie weit das gelingen kann, ist eine andere Frage. Moskau sollte realisieren, dass die EU bereits die Führung im Kosovo-Prozess übernommen hat. Schließlich bereiten wir gerade eine umfassende zivile Friedensmission vor, welche die UNO-Mission ablösen wird. Wir sollten nicht erlauben, dass uns das irgendjemand aus der Hand nimmt. Da müssen wir sehr standhaft sein. Andererseits wollen wir weder die Serben noch die Russen vor den Kopf stoßen. Russland ist ein sehr wichtiger Nachbar der EU, ein Energieversorger und ein strategischer Partner. Daher wollen die Mitgliedsstaaten auch keinen "Krieg" mit Russland anzetteln.

Der Westbalkan wird im Fokus der slowenischen Präsidentschaft ab Jänner des kommenden Jahres liegen. Was haben Sie vor?

Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien werden ohne Probleme sehr weit fortschreiten, und mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien wollen wir den Anfang der Beitrittsverhandlungen erreichen. Mit Serbien möchten wir das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen (ein erster Schritt in Richtung EU-Beitritt) endgültig abschließen.

Kann das Abkommen mit Serbien unterzeichnet werden, wenn der als Kriegsverbrecher gesuchte Ex-General Ratko Mladic nicht ausgeliefert und die Kosovo-Frage nicht gelöst wird? Die volle Zusammenarbeit mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ist ja eine entscheidende Bedingung für Belgrad.

Ich sehe keinen Widerspruch zu unseren Plänen. Die serbische Regierung ist in der Lage, Mladic zu fassen. Da gibt es eher noch technische Probleme, die wohl noch dieses Jahr überwunden werden können. Und den Kosovo-Status werden wir hoffentlich ziemlich zu Beginn unseres EU-Vorsitzes klären. Ich rechne mit den ersten Monaten des kommenden Jahres.