Zittern vor einseitiger Unabhängigkeitserklärung. | Schweigen über drohendes Scheitern im Kosovo. | VianadoCastelo. Die EU steht vor einer ihrer größten außenpolitischen Herausforderungen. Gebannt blicken die Mitgliedsstaaten auf die letzten verzweifelten Versuche, doch noch eine Art Verhandlungslösung für den künftigen Status des Kosovo auf die Beine zu stellen. Gelingt das nicht, droht die Union ohne einheitliches Auftreten ihr Gesicht zu verlieren und am Balkan zu scheitern.
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Von einem "Testfall" spricht Erweiterungskommissar Olli Rehn. "Reifeprüfung" nennt es Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik. Das Ausmaß der Beteuerungen der Einheit der Union beim Treffen der Außenminister am Wochenende zeichnete jedoch ein ernüchterndes Bild von den offenbar massiven Problemen hinter den Kulissen.
Bis 10. Dezember sollen neuerliche Direktgespräche zwischen Belgrad und Pristina unter Vermittlung der so genannten Troika aus USA, EU und Russland noch Annäherungen erzielen. Und die Chancen auf ein Gelingen seien "eher klein", räumte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein. Sogar der deutsche Spitzendiplomat und EU-Vertreter in der Troika, Wolfgang Ischinger, zeigte sich "skeptisch".
Manche sehen wenigstens eine gewisse Bewegung bei den bisher völlig festgefahrenen Positionen. "Es tut sich Interessantes", sagte etwa der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn. Details "auszuplaudern", sei allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht hilfreich.
Plassnik findet es für eine Beurteilung zwar noch zu früh. Doch habe sie nach Monaten "repetativer Wiederholungen" der bekannten Standpunkte eine "merkbare Orientierung in Richtung europäischer Zusammenhänge" bei den Streitparteien wahrgenommen. Denn Serbien betrachtet den Kosovo als integralen Bestandteil seines Staatsgebiets. Die mehrheitlich albanisch bewohnte Provinz steht jedoch bereits seit rund acht Jahren unter UNO-Verwaltung und will die Unabhängigkeit.
EU ringt um Einheit
Einen Kompromissvorschlag des UNO-Sondergesandten Martti Ahtisaari für eine international überwachte Souveränität wurde jedoch im UNO-Sicherheitsrat durch die Veto-Macht Russland blockiert. Dennoch wollten sich weder Minister noch Diplomaten in Portugal auf die Szenarien beim Scheitern der Gespräche und daher voraussichtlich auch einer neuen UNO-Resolution einlassen. Klar ist lediglich, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo so lange wie möglich verhindert werden soll. Denn die EU ringt heftig mit der Einheit ihres außenpolitischen Auftretens.
Vor allem Großbritannien, Frankreich und Deutschland tendieren in Richtung einer Loslösung der südserbischen Provinz. Länder wie Griechenland, Zypern, Rumänien oder die Slowakei waren schon zum Bekenntnis zu Ahtisaaris Vorschlägen nur widerstrebend bereit. Eine Anerkennung der einseitig erklärten Unabhängigkeit des Kosovo - möglicherweise im Fahrwasser der USA - dürfte sie vor massive Probleme stellen. Der italienische Vorschlag, Serbien als Zuckerl den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen, stieß auf wenig Gegenliebe.
Neben eindringlichen Aufrufen an die Kosovaren, keine überstürzten Handlungen zu setzen, beschworen die Außenminister vor allem die Einheit der Union. Bis zum letzten Tag müsse daran gearbeitet werden, insistierte der portugiesische Außenminister und gegenwärtige Ratsvorsitzende Luís Amado.
Einheit und Entschlossenheit der EU seien entscheidend, beteuerte auch Plassnik. Und am schärfsten verwies der französische Außenminister Bernard Kouchner auf die Brisanz der Lage: Die Einheit der Union sei am Ende wichtiger als das Schicksal des Kosovo, sagte er.