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Kosten für Pflege explodieren

Von Karl Leban

Wirtschaft

Ressourcen in der Familie nehmen in Zukunft rapide ab. | Staatliches System überfordert, eigene Vorsorge notwendig. | Wien. Rund um die Altenpflege läuft seit Wochen eine stark emotional geführte Debatte auf politischer Ebene. Eines ist sicher: Schon jetzt reichen Pension und Pflegegeld in den seltensten Fällen aus, um die Kosten abzudecken. Die Finanzierungslücke, die sich hier aufgetan hat, wird künftig weiter wachsen. Fazit: Der Staat steht vor einer großen gesellschaftspolitischen Herausforderung und wird für ein geeignetes Umfeld sorgen müssen, um das Problem einigermaßen in den Griff zu bekommen.


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Für die nächsten 25 Jahre muss nach Einschätzung von Experten von einer dramatischen Kostenexplosion ausgegangen werden. Unter der Annahme, dass die ambulante Betreuung ausgebaut wird und das zuletzt bei 80 Prozent liegende Betreuungspotenzial in der Familie jährlich um einen Prozentpunkt zurückgeht, werden sich die Pflegekosten bis 2030 auf etwa 20 Mrd. Euro vervierfachen. Diese Zahl nennt Christian Schober vom Institut für Sozialpolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien, Mitautor einer am Montag vorgestellten Pflegekosten-Studie, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Bis 2030 fast eine Million Betreuungsbedürftige

Die Entwicklung der Kosten steigt mit der Personenzahl und der Pflegequalität. Bis 2030 werden hierzulande schätzungsweise bis zu 500.000 Personen pflegebedürftig sein - und bis zu 960.000 Menschen betreuungsbedürftig. Zuletzt bedurften rund 540.000 Personen einer ständigen Betreuung (das waren 6,5 Prozent der Bevölkerung). Laut der Studie, von der Sparkassen-Versicherung in Auftrag gegeben, bezogen davon rund 371.000 Personen Pflegegeld. 2004 - aktuellere Daten sind nicht verfügbar - betrug der gesamte Pflegegeld-Aufwand knapp 1,8 Mrd. Euro. Der Löwenanteil entfiel auf stationäre, der Rest auf mobile Pflege.

Derzeit werden noch vier Fünftel der Pflegedienstleistungen unentgeltlich in der Familie erbracht (im Wert von zwei bis drei Mrd. Euro). Insgesamt 223.000 Pflegegeldbezieher sind es, die zur Gänze durch Pflege im familiären Bereich betreut werden.

"Die Pflege-Ressource Familie wird langfristig aber rapide abnehmen", prognostiziert Studien-Co-Autorin Ulrike Schneider. Was die Pflegeproblematik aus ihrer Sicht künftig zusätzlich verschärft, ist neben der steigenden Lebenserwartung und einem späteren Pensionsantritt vor allem auch die Zunahme der Single-Haushalte. Vor diesem Hintergrund sieht Erwin Hammerbacher, Vorstandsmitglied der S-Versicherung, das Pflegerisiko von der Bevölkerung noch immer stark unterschätzt (oder verdrängt): "Vielfach müssen im Ernstfall Ersparnisse und Vermögenswerte aufgelöst werden, um den Herbst des Lebens nicht in Armut zu verbringen."

Je nach Pflegebedarf und Heimausstattung fallen etwa für eine Pflegeheim-Betreuung monatlich Kosten von 1000 bis 6000 Euro an. Bei der Finanzierung ist das staatliche System hier eindeutig überfordert. So wie andere Assekuranzen rührt daher auch die S-Versicherung die Werbetrommel für ihr neu aufgelegtes Pflegevorsorge-Produkt. Eben weil der Pflegebedarf steige und der Staat die Kosten nicht alleine tragen könne, werde der Einzelne in Zukunft auch selbst etwas beitragen müssen. "Logisch" wäre dabei, die Pflegevorsorge - so wie die Zukunftsvorsorge - in einen staatlichen Förderrahmen einzubetten.