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Kosten von drei Euro pro Woche und Einwohner

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Ausnahmen für kleine und energieintensive Werke. | Reichere Länder müssen mehr Last tragen. | Industrie soll zwei Drittel der Reduktionen leisten. | Brüssel. Am Mittwoch war es so weit: Die EU-Kommission stellte ihr mit großer Spannung erwartetes Klimaschutz-Paket vor. Die EU müsse überzeugend zur ihren Klimazielen stehen, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso: 20 Prozent weniger Treibhausgasausstoß in der EU als 1990, mindestens 20 Prozent Anteil erneuerbare Energiequellen am EU-Energiemix, 20 Prozent weniger Energieverbrauch und mindestens zehn Prozent Anteil Biosprit im Treibstoff in jedem einzelnen Land.


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Als Zieldatum für diese Werte hatten die EU-Staats- und Regierungschefs letzten März das Jahr 2020 beschlossen. Doch jetzt geht es darum, wie viel jeder einzelne Staat zur diesen hehren Zielen beitragen muss. Die letzten Änderungen in den EU-Gesetzesvorschlägen wurden dem Vernehmen nach erst am Mittwochvormittag vorgenommen, bis zum letzten Moment hatten die Mitgliedsstaaten und die Lobbys der Industrie noch um Vergünstigungen gerungen.

0,5 Prozent des BIP

Denn mit der Erreichung der Klimaziele sind Kosten verbunden: Konkret rechnet die EU-Kommission mit einem halben Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Union - lediglich drei Euro pro Woche für jeden EU-Bürger, wie Barroso sofort relativierte.

Im Gegenzug würde sich die Union bis zu 60 Milliarden Euro im Jahr an Erdöl und -gasimporten ersparen. Darüber hinaus rechne die Kommission mit bis zu einer Million neuer Arbeitsplätze im Sektor der Erneuerbaren Energie - heute arbeiten in der 30-Milliarden-Euro-Branche erst rund 350.000 Menschen.

Würde der Klimaschutz dagegen aufgeschoben, mahnte Barroso, drohten bis zu 20 Prozent der Weltwirtschaftsleistung in der Schadensbehebung aufzugehen. Das hatte der britische Regierungsberater Nicolas Stern in einem Aufsehen erregenden Bericht vergangenes Jahr errechnet.

8,5 Prozent im Schnitt

Das gemeinsame Ziel der 20 Prozent Erneuerbare Energie aus Wasser, Sonne, Wind oder Biomasse soll auf die Staaten entsprechend ihrer Vorleistung und ihrer Wirtschaftsleistung pro Kopf aufgeteilt werden. Reichere Länder müssen im Verhältnis eine größere Bürde schultern.

Immerhin liegen die Vorreiterländer Österreich und Schweden mit plus 10,7 und plus 9,2 deutlich unter der im EU-Schnitt notwendigen Steigerung von 11,5. Die EU hält heute erst bei durchschnittlich 8,5 Prozent. Für jene EU-Länder, die ihre Ziele nicht erreichen, soll der Zukauf von Ökostromzertifikaten aus anderen Mitgliedsstaaten möglich sein.

Nach heftigen Protesten aus Deutschland, Österreich und Spanien dürfen Länder mit funktionierenden Ökostromfördersystemen diese vom Handel mit den Zertifikaten ausnehmen. In diesen Ländern werden den Ökostromproduzenten staatlich gestützte Fixabnahmepreise garantiert. Die grünen Energiehersteller hätten mit dem Verkauf der vom Staat subventionierten Zertifikate die eigene Zielmarke konterkarieren können, war die Befürchtung. Die Förderung von Projekten zur Erreichung der Klimaziele soll künftig generell in größerem Ausmaß aus den Staatskassen erlaubt sein.

Zertifikate reduziert

Die Reduktion des CO 2 -Ausstoßes will Brüssel ab 2013 zu 21 Prozent der Industrie über das überarbeitete EU-Emissionshandelssystems ETS und zu zehn Prozent den restlichen Treibhausgasproduzenten auferlegen. Zu letzteren zählen vor allem Transport, Verkehr, das Heizen und Kühlen von Gebäuden sowie kleine Produktionsanlagen, die weniger als 10.000 Tonnen CO 2 im Jahr ausstoßen und daher aus dem ETS ausgenommen werden.

Dieses soll künftig nicht mehr mit nationalen Aufteilungsplänen, sondern zentral von Brüssel und für die gesamte Union einheitlich betrieben werden. Die Zertifikate werden schlicht stufenweise reduziert. Jene Branchen, die Zertifikatspreise gut an ihre Kunden weiterreichen können, sollen die bisher gratis ausgegebenen Emissionsrechte ab 2013 bezahlen müssen, Ausnahmen sind für energieintensive Industriezweige vorgesehen (siehe Analyse unten).

Rumänien darf zulegen

Für den nicht vom ETS abgedeckten Teil der Treibhausgase, der etwa weniger als die Hälfte ausmacht, hat die Kommission eine Bandbreite von minus 20 bis plus 20 je nach Wirtschaftsleistung der Mitgliedsstaaten vorgelegt.

Luxemburg muss seine Emissionen in dem Bereich bis 2020 gegenüber 2005 etwa 20 Prozent herunterfahren, die wirtschaftlich schwächsten Länder Bulgarien und Rumänien dürfen dagegen noch um 20 und 19 Prozent zulegen.

Auch das umstrittene Ziel von mindestens zehn Prozent Biosprit bleibt in den Brüsseler Vorschlägen enthalten. Künftig müssten die zu Sprit destillierten Feldfrüchte allerdings "nachhaltig" angebaut werden. Kritiker hatten etwa die Verarbeitung von Getreide zu Treibstoff im Zeitalter steigender Lebensmittelpreise angeprangert.

Teure Lagerung

Als letzte Komponente präsentierte die Kommission eine Strategie zur möglichst klimaneutralen Nutzung von kohlenstoffhaltigen Ressourcen. Bei der Technik der sogenannten Kohlenstoffrückgewinnung soll das CO 2 in unterirdischen Hohlräumen endgelagert und so aus der Atmosphäre ferngehalten werden. Das ist allerdings weit teurer als erwartet, meinte ein Kommissionsexperte. Ab einem ETS-Zertifikatspreis von etwa 40 Euro pro Tonne CO 2 könnte diese Technologie von staatlichen Subventionen gestützt, wirtschaftlich interessant werden. Heute liegt der Preis bei gut 23 Euro.

Sollte es nach 2009 ein neues internationales Abkommen geben, werden die von der Kommission vorgestellten Vorschläge noch angepasst. Bis zu 30 Prozent weniger CO 2 -Ausstoß kann sich Brüssel dann theoretisch gegenüber 1990 vorstellen.

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