EU-Kommission und Deutschland legen Streit um Autobahngebühren bei. Kritik gibt es auch aus Wien.
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Brüssel. Ob informell oder nicht: Die Einigung zwischen Deutschland und der EU-Kommission über die Einführung einer Pkw-Maut ist da. Am Rande eines Treffens mit seinen Amtskollegen in Brüssel kamen Verkehrsminister Alexander Dobrindt und die zuständige EU-Kommissarin Violeta Bulc zusammen, um die jüngsten Vorschläge aus Berlin zu besprechen.
Zwar liegt der endgültige Rechtstext, über den der Deutsche Bundestag später abstimmen wird, noch nicht vor. Aber wenn die in Brüssel präsentierten Änderungen in den Entwurf einfließen, könnte das EU-Verfahren gegen Deutschland eingestellt werden, erklärte Bulc. Die Kommission hatte das Land wegen der umstrittenen Maßnahme auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt.
Zum Gang vors Gericht könnte sich aber nun Österreich entscheiden. Denn die deutschen Pläne stoßen hier auf Widerspruch. So sprach Verkehrsminister Jörg Leichtfried lediglich von einer "informellen Einigung" zwischen Brüssel und Berlin. Der SPÖ-Politiker will ebenfalls auf den Gesetzesvorschlag warten, der im Frühjahr des kommenden Jahres fixiert sein könnte. Dennoch äußert er schon jetzt Vorbehalte gegen das Vorhaben der Nachbarn. Der Streitpunkt, dass Ausländer gegenüber Deutschen diskriminiert wären, sei nämlich keineswegs ausgeräumt.
Ausnahmen fürs deutsche Eck?
Dobrindt möchte deutsche Autofahrer entlasten, indem diese die geplanten Maut-Gebühren über die Kfz-Steuer zurückerhalten. Das soll allerdings vor allem für Nutzer besonders umweltschonender Autos gelten. Generell sollen die Vignetten-Preise je nach Fahrzeugtyp gestaffelt werden. Für Ausländer aber, die die deutschen Autobahnen befahren, soll es mehr Varianten geben als ursprünglich vorgesehen. Fünf statt drei Kurzzeit-Vignetten sollen es werden. Die Preise dafür sollen sich zwischen 2,50 und 20 Euro bewegen. Der deutsche Staat würde dadurch wohl weniger Einnahmen haben als erhofft.
Aber nicht nur die Österreicher wehren sich gegen das Vorhaben der Nachbarn. Auch die Polen, Belgier und Niederländer, die deutsche Autobahnen zahlreich nutzen, sind gegen die Einführung der Abgabe. Mit seinen Amtskollegen aus diesen Ländern hat Leichtfried denn auch schon Gespräche geführt. Dass sie ihr Vorgehen künftig koordinieren, ist nicht ausgeschlossen.
Leichtfried hat bereits an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geschrieben, und Verkehrskommissarin Bulc werde er ebenfalls eine detaillierte Auslegung zukommen lassen, kündigte der Politiker an. Die Regierung in Wien hat schon mehrmals betont, sich alle rechtlichen Schritte vorzubehalten – unter anderem eine Klage vor dem EuGH.
Überlegungen, ob Wien für Ausnahmen von der Maut eintreten wird, dürften derzeit nicht im Vordergrund stehen. In Frage würde etwa das deutsche Eck kommen, zwischen Tirol, Salzburg und Bayern. Allerdings war das sogenannte kleine deutsche Eck, das den Salzburger Flachgau mit dem Pinzgau verbindet, von den ursprünglichen deutschen Maut-Vorschlägen sowieso nicht betroffen. Denn dort verläuft eine Bundesstraße und keine Autobahn. Im Verkehrsministerium wird jedoch darauf verwiesen, dass sich die Prüfung des Vorhabens nicht auf geografische Gegebenheiten, sondern mögliche Diskriminierung von Österreichern konzentrieren werde.
Bedenken in Berlin
Bedenken gegen die Gebühren-Pläne gibt es aber auch in Deutschland selbst. So kritisierte der SPD-Abgeordnete Martin Burkert, dass mit fünfstufigen Kurzzeit-Vignetten kaum Einnahmen für den Straßenbau zu erreichen seien. Der grüne Mandatar Oliver Krischer bezeichnete das Vorhaben als "Witz" – ebenfalls aus finanziellen Gründen. "Wenn jetzt manche Autofahrer weniger, aber keiner mehr zahlen soll, beglückt Dobrindt das Land mit einer Maut, die den Staat mehr kostet, als sie bringt", zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Die Gebühr, die im Wahlkampf 2013 ein Kernprojekt der Christlich-Sozialen war, würde laut aktuellen Berechnungen an die 500 Millionen Euro im Jahr einbringen. Sie hätte schon heuer eingeführt werden sollen, was sich jedoch durch das EU-Verfahren wegen Vertragsverletzung und die Klage der Kommission verzögert hat.
Kritik von den Grünen kam auch aus dem EU-Parlament. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Michael Cramer, warf der Kommission vor, auf "einen faulen Kompromiss" einzugehen. Deutsche Autofahrer würden weiterhin bevorzugt. Außerdem würde die Maut nicht zu mehr Einnahmen führen.