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Kottan bekrittelt

Von Christian Rösner

Politik
Für "Hirn statt Uniform" spricht sich der ehemalige Kottan-Darsteller Lukas Resetarits anlässlich des Polizeieinsatzes am Montag aus.
© orf

"Der gefährlichste Polizist ist der Hosenscheißer-Polizist", meint der ehemalige Arena-Besetzer Lukas Resetarits.


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Wien. Nach wie vor herrscht großes Unverständnis über den Großeinsatz der Polizei, für den 1700 Beamte abkommandiert wurden, um 19 Aktivisten aus der "Pizzeria Anarchia" zu holen. Die Tatsache, dass beim Abtransport der Festgenommenen ein Dutzend Polizisten den VW-Bus anschieben mussten, weil dieser nicht mehr anspringen wollte, verleiht der Geschichte noch zusätzlich eine kottaneske Note, die den ehemaligen Arena-Besetzer, Schauspieler und Kabarettist Lukas Resetarits zum Kopfschütteln veranlasst. In einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung" vergleicht er kritisch die "guten, alten Besetzerzeiten" mit der heutigen Situation.

"Wiener Zeitung": Bei der Arena-Besetzung vor knapp 40 Jahren sind Sie zusammen mit rund 60 Aktivisten 400 Polizisten gegenüber gestanden. Am Montag war das Verhältnis 19 zu 1700 – ist die Polizei ihrer Meinung nach inzwischen vorsichtiger geworden?

Lukas Resetarits: Die Wiener Polizei befand sich damals in ganz anderen Händen. Erwin Lanc war damals Innenminister und hat der Exekutive ein Gewaltverbot verordnet, wie wir erst viel später erfahren haben. Die Beamten waren nicht in Kampfmontur, haben sich stark zurückgezogen und waren kaum sichtbar. Per Telefonketten haben wir damals Leute angerufen und alle sind mit Kind und Kegel und Hunden gekommen. Am Ende waren wir 3000 Menschen und das Ganze hat eine sehr friedliche Atmosphäre gehabt – übereifrige Polizisten wären da stark aufgefallen.

Es gab keine Zwischenfälle?
Nein. Es gab keine Konfrontation. Es sind zwar aus Deutschland RAF-Abgesandte gekommen, um uns zu instrumentalisieren. Aber das ist halt Wien: Auch die Wiener Linken haben sich damals nichts von den Deutschen vorschreiben lassen. Wir haben auf unsere Leute aufgepasst und der Innenminister hat auf seine Leute aufgepasst – und so ist alles friedlich verlaufen. Je mehr aber von der einen oder anderen Seite aufgerüstet wird, desto mehr Probleme gibt es. Sprich: Wir haben keine Pflastersteine vorbereitet und die Polizisten hatten keine Rüstungen an. Und das ist der Unterschied zu heute.

Der Polizeipräsident sowie Kriminologen meinen aber: Je mehr Beamte ausrücken, desto weniger Gewalt gibt es.
Ich bin kein Experte, aber ich denke, es hängt immer davon ab, wie sie ausrücken. Ich kann mich an ein Fußballmatch erinnern, wo zwischen den Menschenmassen kleine Cobra-Inseln mit jeweils fünf Beamten in voller Montur waren, die die Woge unterbrochen haben. Das hat funktioniert. Wenn aber eine riesige Front an Polizisten in voller Montur entgegen kommt, dann passiert vielleicht etwas in den Menschen, was für beide Seiten nicht gut ist.

Das heißt, die Polizei hat am Montag unangemessen gehandelt?
Ich habe den Eindruck, dass die Qualität der Polizei abnimmt – abgesehen davon, dass bei der Aufnahmsprüfung neun von zehn nicht schreiben können. Die Leute schauen sich im Fernsehen Cop-Stories an und dann wollen alle Trotteln Polizisten werden, und werden es vielleicht auch. Entschuldigung für die Wortwahl – hoffentlich gibt es bei der nächsten Verkehrskontrolle keine Probleme für mich – aber der gefährlichste Polizist ist der Hosenscheißer-Polizist. Denn der geht zum Einsatz, weil er dort hingehen muss, dort kriegt er Angst und fetzt um sich. Es geht immer um die Qualifikation der Beamten. Da hat es einmal einen kleinen Aufstand beim Flex gegeben und weil sich die Polizei nicht runter getraut hat, hat sie oben auf der Brücke die Leute mit 74 Euro bestraft, weil sie bei Rot über die Straße gegangen sind. Und dorthin, wo die Schwachen sind, kommen sie mit 1700 Beamten. Das ist ja ein Armutszeugnis.

Sehen sie anlässlich dieses Vorfalls die Zukunft der Subkultur in Wien gefährdet?
Über das, was da in Wien passiert ist, lachen ja in Berlin die Ratten – und zwar die neugeborenen Ratten lachen da. Und sie lachen auch in Amsterdam und 500 anderen Städten, wo täglich Häuser besetzt werden. Die Arenabesetzung war damals ein großer Kipppunkt der Kulturpolitik. Dass Wien bei jungen Menschen international so beliebt ist, das ist unter anderem auch uns zu verdanken, weil wir damals Haltungen umgedreht haben. Die Leute sind draufgekommen, dass sie nicht erschossen, totgevögelt oder mit Heroin vergiftet werden, wenn man Kultur zulässt. Plötzlich wurden Lokale geöffnet, die sich vorher niemand getraut hat zu öffnen. Die Stadt hat enorm davon profitiert.

Und was ist jetzt?
Jetzt sind wir ganz woanders; um Jahrhunderte zurück. Jetzt können Bau- und Wohnspekulanten per Telefon Polizeibrigaden aufmarschieren lassen, um ein Haus zurückzuerobern. Und zwar von jenen Punks, die sie sich selbst hineingesetzt haben. Ich meine, wo sind wir? Ruft jetzt Frank Stronach die Feuerwehr an, weil er keinen Parkplatz hat und die zündet deswegen mein Auto an? Das ist die Privatisierung eines Rechtsgutes. Und wenn die Polizei und das Innenministerium nicht sehen, wie sie instrumentalisiert werden, dann ist das fatal. Das betrifft auch den Landfriedensbruch. Bitte mich nicht falsch zu verstehen. Ich esse gerne im Schwarzen Kameel und find es nicht leiwand, wenn jemand einen Stein hineinhaut. Aber die Polizei soll den finden, der den Stein geschmissen hat und nicht irgendeinen anderen, der dort irgendwo auch dabei war. Man muss sich genau anschauen, was hier unter dem Titel: "Wir beschützen die Bevölkerung" passiert und wes Geistes Kind dahinter steckt. Und man sollte endlich mit Hirn an die Sache herangehen und nicht mit Uniform.

Hätten Sie eigentlich Lust, noch weitere Kottan-Folgen zu drehen?
Das geht gar nicht mehr. Früher hat uns die Polizei unter dem Siegel der Verschwiegenheit den Stoff für den Kottan geliefert. Heute macht sie sich selber in der Öffentlichkeit lächerlich.