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Kraftakt der Diplomatie

Von Arian Faal

Politik
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In Wien beginnt die letzte Mammutrunde im Atomkonflikt mit dem Iran vor der Deadline 24. November.


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Wien. Elf Jahre harrt der Atomstreit mit dem Iran einer Lösung. Das Prozedere bei den Verhandlungsrunden ist hinlänglich bekannt: dutzende Journalisten, eine ewige Warterei und am Ende das Ergebnis, dass vertagt wird. Diesmal aber soll laut den Regisseuren, dem Iran und den fünf UN-Vetomächten plus Deutschland, alles anders werden. Denn die Zeit bis zur Deadline am 24. November wird knapp. Nach den schleppenden Gesprächen im Oman in der vergangenen Woche ruhen alle Hoffnungen nun auf den Mammutverhandlungen in Wien, die am Dienstag starten.

Der Iran leitete den diplomatischen Kraftakt der kommenden Tage mit einer Empfehlung ein: Sowohl Präsident Hassan Rohani als auch der zweitmächtigste Mann hinter dem Obersten Geistlichen Führer Ayatollah Ali Khamenei, Ayatollah Akbar Hashemi-Rafsanjani, rieten dem Westen, dass sich dieser "diese einmalige Chance für einen Durchbruch keinesfalls entgehen lassen sollte". Auch die Amerikaner wünschen sich sehnlichst angesichts der politischen Wirren im Irak und in Syrien eine Einigung.

Frankreichs Chefdiplomat Laurent Fabius wollte noch nicht spekulieren, ob es eine Einigung geben werde. Nachsatz: Zu wünschen wäre es aber.

Zur Mammutrunde treffen die politischen Direktoren und Vizeaußenminister der fünf UN-Vetomächte plus Deutschland und Teherans zusammen, um eine endgültige Lösung zu finden. Am kommenden Wochenende haben sich auch die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, der USA, Russlands, Chinas, Deutschlands den Terminkalender freigehalten, um gegebenenfalls in die Bundeshauptstadt zu reisen. US-Minister John Kerry kommt eventuell schon früher.

Getagt wird erneut im Palais Coburg in der Innenstadt, das diesmal vorsorglich für alle Medien gesperrt wurde. Einiges ist jedoch im Vergleich der sieben früheren Runden, die heuer in Wien stattgefunden haben, anders: mehr Diplomaten, Sanktionsexperten, zusätzliche wirtschaftliche Berater - und jede Menge Arbeit im Gepäck der Verhandler.

Denn noch gibt es schwerwiegende Differenzen: Die Anzahl der Zentrifugen, die Dauer eines etwaigen Abkommens und der Zeitplan für die schrittweise Suspendierung der westlichen Wirtschaftssanktionen, allen voran das Öl- und Gasembargo der EU, sind dabei die Hauptstreitpunkte. Der Westen fordert im Streit rund um die Urananreicherung mehr Flexibilität von Teheran. Ende Juli hatte der Iran zwar die Hälfte seines Bestands an 20-prozentig angereichertem Uran unschädlich gemacht, womit eine wichtige Bedingung der Internationalen Atomenergiebehörde erfüllt wurde. Doch deren Chef, Yukiya Amano, bemängelte, dass Iran noch nicht alle vereinbarten Punkte fristgerecht umgesetzt hat.

Friedlicher Charakter

Catherine Ashton, die bis 31. Oktober 2014 EU-Außenbeauftragte war, leitet auch weiterhin als Iran-Sonderbeauftragte die Gespräche. Für Teheran verhandeln Außenminister Mohammad Javad Zarif und sein erster Stellvertreter Abbas Araqchi.

"Das Hauptziel der Verhandlungen ist es, bis zum Ablauf der Deadline einen Deal zu erzielen, in dem für die internationale Staatengemeinschaft gewährleistet ist, dass das Atomprogramm des Iran ausschließlich friedlichen Charakter hat", erklärte Ashtons Sprecher Michael Mann der "Wiener Zeitung" im Vorfeld der Gespräche.

Die Verhandlungen in Wien laufen auf drei Ebenen. Zuerst verhandeln Ashton und Zarif und koordinieren die Expertengespräche. Darüber hinaus werden die politischen Direktoren beziehungsweise Vizeaußenminister der 5+1 und des schiitischen Golfstaates zu Fachmeetings zusammentreffen, mit dabei sein wird auch US-Spitzendiplomatin Wendy Sherman. Erst in der letzten Phase sollen die Außenminister zur Vertragsunterzeichnung hinzugezogen werden.

Die Russen, die im Iran zwei weitere AKW errichten wollen, drängen den Westen, rasch ein Abkommen zu arrangieren. Sollte dies aber nicht möglich sein, dann werde man versuchen, eine für alle Seiten tragbare Fortführung der Verhandlungen zu avisieren, hieß es in Moskau. Dennoch will der russische Chefverhandler, Außenminister Sergej Ryabkow, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" eine Einigung bis kommenden Montag: "Schauen Sie, wir haben überhaupt keine Plan-B-Option in der Schublade. Nicht weil, wir naiv sind, sondern weil wir unsere ganze Aufmerksamkeit den kommenden Verhandlungen widmen. Ich bin absolut positiv gestimmt, und es sind Experten am Werk, also hoffe ich auf eine Einigung", so der Diplomat.