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Kräftemessen der Denkfabriken

Von Peter Muzik

Wirtschaft

IIASA und WIIW - zwei Kürzel mit internationalem Renommee.


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Der Start ist gelungen: Just als der gebürtige Tscheche Pavel Kabat Anfang Februar als neuer Direktor antrat, wurde dem International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg eine große Ehre zuteil. So wie auch das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) fand es plötzlich internationale Beachtung.

Die Universität von Pennsylvania hat die weltweit einflussreichsten Denkfabriken in einem acht Monate dauernden komplizierten Ausleseverfahren ermittelt: In zwei der insgesamt 30 Kategorien der kürzlich veröffentlichten Rangliste landeten die beiden rot-weiß-roten Institutionen auf den ehrenvollen Rängen 13 und 17.

Diese Platzierung ist angesichts der Tatsache, dass 5300 Think Tanks aus aller Welt - also hochkarätig besetzte, in der Regel nicht gewinnorientierte außeruniversitäre Forschungsinstitutionen - nominiert waren, ein beachtlicher Erfolg.

Der 54-jährige Professor Kabat, mittlerweile holländischer Staatsbürger, und Elisabeth Hagen, Chefin des WIIW, dürfen jedenfalls stolz sein, sich zur internationalen Elite zählen zu dürfen - selbst wenn es bis zur absoluten Spitze ein weiter Weg ist: Im Top-Ranking der Pennsylvania University liegt die angesehene Brookings Institution aus Washington vor dem britischen Chatham House.

Das siegreiche Institut ist eine 1916 gegründete Non-Profit-Organisation, deren 300 Researcher das Ziel verfolgen, mit ihren vielfältigen Forschungsprojekten in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Forschung und Bildung möglichst breiten Input in Form von Empfehlungen zu liefern. Die liberal-konservative Elite-Vereinigung wird unter anderem von der Rockefeller Foundation, der Gates Foundation, der Bank of America und der US-Regierung finanziert und hat mehr als 100 Millionen Dollar zur Verfügung.

Politik, Forschung, Technik

Die meisten Denkfabriken - rund 1900 - sind in den USA und Kanada zu finden, in der Volksrepublik China gibt es 425 und in Indien 292. Großbritannien, Deutschland und Frankreich belegen die weiteren Plätze; gemeinsam können die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit mehr als 1400 Think Tanks aufwarten. Die herausragendsten sind das deutsche Max Planck-Institut im Bereich Wissenschaft und Technologie, die britische Vereinigung Transparency International sowie Amnesty International in der Sparte Good Governance sowie das Stockholm International Research Institute.

Österreich kann mit seinen rund 40 Einrichtungen in der Champions League zumindest in quantitativer Hinsicht nicht mithalten: Länder wie die Schweiz oder Schweden, die Niederlande und Belgien, aber sogar die Rumänen sind deutlich besser bestückt. Speziell die belgischen, aber auch polnische und russische Ideen-Produzenten wie das Carnegie Moscow Center genießen international eine höhere Reputation als ihre österreichischen Kollegen.

Selbst im eigenen Land, wo die beiden Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS die meiste Aufmerksamkeit erzielen, fristen etliche Wiener Forschungseinrichtungen ein kaum beachtetes Dasein.

Eine Bühne für Ex-Politiker

Die rot-weiß-roten Think Tanks wollen - mit wenigen Ausnahmen - unabhängig, überparteilich und gemeinnützig sein, und sie sind in der Regel im außeruniversitären Bereich tätig. Mehrheitlich können sie auf eine lange Tradition zurückblicken, wobei das bereits 1927 gegründete Wifo am ältesten ist. Andere wiederum bestehen so wie die Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen erst seit wenigen Jahren - im konkreten Fall handelt es sich allerdings um die Nachfolge-Organisation der 1945 ins Leben gerufenen Österreichischen Liga für die Vereinten Nationen.

Ähnlich wie Wolfgang Schüssel, der als Präsident der eben genannten Gesellschaft fungiert, finden etliche Ex-Politiker in den Think Tanks ein ehrenvolles Betätigungsfeld: Erhard Busek ist Vorstandsvorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), Alfred Gusenbauer steht dem Dr. Karl Renner-Institut der SPÖ vor und Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina sitzt beim WIIW im Board of Directors.

Meist bescheidene Budgets

Die Wiener Denkfabriken beschäftigen bis zu maximal 250 Mitarbeiter. Ihre Zielsetzungen reichen von "Lösungen für brennende gesellschaftliche Probleme", wie es 1996 der Gründer des Club of Vienna, Rupert Riedl, formuliert hat, bis zur Aufgabe, "Impulse für eine von christlichen Idealen getragene Sozial- und Wirtschaftspolitik zu setzen, die geeignet ist, die Probleme von morgen zu bewältigen" (Karl Kummer-Institut). Sie kümmern sich um "Grundlagenforschung zur europäischen Integration" (Institut für europäische Integrationsforschung) oder um Raum-, Stadt-, Regional- und Verkehrsplanung (Österreichisches Institut für Raumplanung).

Um sich Gehör zu verschaffen, geben sie Bücher und Fachjournale heraus, ziehen Projekte durch, laden zu Vorträgen ein, veröffentlichen Arbeitspapiere, veranstalten Symposien oder Seminare und organisieren Jour Fix-Mittagessen für Opinion Leader. Sie leben großteils von Subventionen - so wird etwa das Österreichische Institut für Internationale Politik von zwei Ministerien, dem Kanzleramt, der Nationalbank sowie WKO und ÖGB gesponsert; aber auch von Mitgliedsbeiträgen.

Beim Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) zahlen ordentliche Mitglieder jährlich 40 Euro, größere Firmen 700 Euro und Förderer 2500 Euro. Beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche zahlen circa 200 Mitglieder jeweils 2000 Euro pro Jahr, wofür sie eine Ladung an Reports, Handbooks, Analysen und Forecasts erhalten - 40 Prozent sind öffentliche Mittel. Schwerpunkt der Forschung sind Länderanalysen, makro-ökonomische Studien und Trendprognosen für CEE-Staaten, aber auch die Volksrepublik China und die Türkei.

Das von Elisabeth Hagen und Research-Director Michael Landesmann geführte Multikulti-Team aus 40 Mitarbeitern, davon die Hälfte Ökonomen, ist zwar "in Österreich immer noch zu wenig bekannt, aber dafür sind wir international sehr aktiv", sagt Hagen.

Einen starken internationalen Anstrich bietet auch das in Laxenburg beheimatete International Institute for Applied Systems Analysis - kurz: IIASA. Als eine Art Reservat hochkarätiger Experten aus aller Herren Ländern (nämlich 35) befasst es sich, mit der UNO abgestimmt, unter anderem mit Energie & Ökologie und Evolution & Technologie.

Das IIASA, das demnächst sein 40-jähriges Jubiläum feiert, will nicht nur "Brücken zwischen Ländern bauen", sondern - wie fast alle anderen Institute auch - einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten. Mit 15 Millionen Euro Budget ist der neue IIASA-Chef Kabat jedenfalls besser dran als die anderen heimischen Think Tanks: "Wir wollen unsere grenzüberschreitende Zusammenarbeit etwa in Südostasien, Südamerika und Afrika weiter ausbauen."