Grüne, SPÖ und Greenpeace werfen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Abschied von der Klimaschutzpolitik und Blockade der neuen EU-Klimaziele vor. Der Kanzler will eine wissenschaftliche Untersuchung über die Auswirkungen der Nach-Kyoto-Maßnahmen auf Wachstum und Beschäftigung.
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Eva Glawischnig, stellvertretende Bundes- und Umwelt-sprecherin der Grünen, ist empört und spricht von einer österreichischen "Blamage". Bundeskanzler und Außenministerin handelten "verantwortungslos", wenn sie Demontage der europäischen Klimaschutzpolitik betrieben.
Was ist geschehen? Am 10. März beschlossen die EU-Umweltminister einstimmig, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen der Industrieländer um 15 bis 30 Prozent bis 2020 und um 60 bis 80 Prozent bis 2050 als EU-Position für die kommenden globalen Klimaschutzverhandlungen zu fixieren. Eine Woche später, beim Außenministerrat, lehnte Österreich, vertreten durch Ursula Plassnik, als einziges Land beide Ziele ab, Deutschland sprach sich noch für das Ziel von 2020, aber gegen jenes von 2050 aus.
Umweltminister Josef Pröll sei desavouiert worden, meint Glawischnig. Man könne dann gleich das Ministerium auflösen und den Minister entlassen. Es zeuge von "Ignoranz", wenn man den einzigen Motor im Klimaprozess, und das sei die EU, kaputt mache. Dieser Prozess sei sehr mühsam und laufe im Kyoto-Protokoll bisher nur auf Stabilisierung, nicht auf Reduzierung hinaus: "Kyoto ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein".
Dass sich "dramatische" Folgen des Klimawandels abzeichnen, steht für Glawischnig außer Zweifel. Sie verweist auf das neue "Schwarzbuch Klimawandel" der beiden Wiener Meteorologen Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer (ecowin Verlag, Salzburg 2005). Alles weist auf einen deutlichen Temperaturanstieg mit eminenten Auswirkungen hin, wenn der Ausstoß an Treibhausgasen nicht deutlich reduziert wird.
Dabei gibt sich Glawischnig überzeugt, dass sich Umweltmaßnahmen auch aus wirtschaftlicher Sicht rechnen und bis zu 250.000 neue Arbeitsplätze sichern können. Wenn die Regierung sich vom Klimaschutz verabschiede, werde das auf parlamentarischer Ebene Konsequenzen haben, drohte Glawischnig.
Ähnlich argumentierte SPÖ-Umweltsprecher Kai Jan Krainer. Während das europäische Ziel der CO2-Reduktion bei acht Prozent liege und Deutschland bereits ein Minus von 20 Prozent erreicht habe, liege Österreich bei einem Plus von 17 Prozent.
Die Umweltorganisation Greenpeace sparte auch nicht mit Kritik und nannte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in einer Aussendung den "österreichischen George W. Bush der Klimaschutzpolitik".
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) rechnet in dieser Situation mit einem Boom bei der Produktion von Atomstrom. Bis 2020 werde der weltweite Bedarf auf mindestens 427 Gigawatt hochschnellen, sagte IAEA-Chef Mohamed el Baradei am Montag bei einer internationalen Konferenz zur Zukunft der Atomindustrie in Paris. Das Klimaprotokoll von Kyoto bringe für die Atomenergie "neue Perspektiven".
Bundeskanzler Schüssel erklärte, er sei nicht gegen die Post-Kyoto-Strategie, "hätte diese aber gerne durch eine wissenschaftliche Untersuchung untermauert". Er möchte genau wissen, welche Auswirkungen die Realisierung des Kyoto-Protokolls zu den Klimaschutz-Zielen auf Wachstum und Beschäftigung habe.