EVP, Barroso stehen weiter hinter Rumiana Jelewa. | Warnschüsse gegen Sozialdemokraten und Liberale. | Brüssel. Um die Anhörungen der Kandidaten für die künftige EU-Kommission zeichnete sich am Montag eine Kraftprobe zwischen den Fraktionen im EU-Parlament sowie diesem und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ab. Ausgangspunkt der Turbulenzen war die schwache Leistung der bulgarischen Anwärterin auf den Posten der EU-Kommissarin für Humanitäre Hilfe, Rumiana Jelewa. Zusätzlich wurde sie offenbar zu Unrecht beschuldigt, ihre Finanzen und Interessen nicht vollständig offengelegt zu haben.
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Der juristische Dienst des EU-Parlaments legte zu Wochenbeginn einen Bericht vor, welcher die Bulgarin entlastet, wie die "Wiener Zeitung" berichtete. Auch Kommissionspräsident Barroso stellte sich hinter Jelewa. Die gehört als Vizepräsidentin der Europäischen Volkspartei (EVP) derselben politischen Familie wie Barroso an. Bis Montagabend sah es so aus, als ob die EVP trotz der abschlägigen Beurteilungen von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen doch noch an der Bulgarin festhalten wollte.
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die EVP im Gegenzug für eine Demontage Jelewas auch einen Kandidaten aus dem roten Lager zum Rücktritt zwingen würde. Das würde die geplante Abstimmung über die neue Barroso-Kommission am 26. Jänner und deren Antritt per Anfang Februar unmöglich machen. Die nachnominierten Kandidaten müssten mindestens rund zwei Wochen Zeit bekommen, um sich in die Themenbereiche ihrer künftigen Ressorts einzulesen und auf die Anhörungen vorzubereiten.
Auf der Suche nach möglichen Opfern
Als mögliches Ziel der EVP kam der Slowake Maros Sefcovic in Frage, der schon letzte Woche wegen eines abfälligen Sagers über Roma attackiert worden war. Falls er sich zu gut schlägt, sollen manche bereits die griechische Sozialistin Maria Damanaki als Ersatzopfer ins Visier genommen haben, die sich heute, Dienstag, ihrer Anhörung als designierte Fischereikommissarin stellen muss.
Wie dringend der Wunsch nach einer Revanche bei einigen in der EVP sein dürfte, zeigen Gerüchte, dass zur Not sogar noch der Ungar Laszlo Andor daran glauben könnte, wenn weder Sefcovic noch Damanaki beizukommen wäre. Andor war vorige Woche eigentlich bereits durchgewunken worden.
Auch um den Liberalen einen Warnschuss vor den Bug zu geben, muss heute, Dienstag, ebenfalls die ehemalige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes noch einmal vorsprechen. Sie trifft sich allerdings nicht mehr in öffentlicher Sitzung mit dem für die "Digitale Agenda" zuständigen Industrieausschuss, sondern mit den Koordinatoren der Fraktionen hinter verschlossenen Türen.
Parlament will Gesetze vorschlagen dürfen
So uneinig, wie die Fraktionen bei den Kandidaten sind, so einig sind sie sich gegenüber Barroso, dass der ihnen für die nächsten fünf Jahre mehr Rechte geben soll, was der Lissabonner Vertrag möglich machen könnte. So hat bisher die EU-Kommission als einzige Brüsseler Institution das Vorschlagsrecht für EU-Gesetzesprojekte. Künftig möchte das Parlament gerne ein De-facto-Vorschlagsrecht in der sogenannten Interinstitutionellen Vereinbarung eingeräumt bekommen - jenem internen Vertrag, der die Praxis der Zusammenarbeit der Institutionen in Brüssel für die kommenden Jahre regeln soll.