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Kraftprobe um neue EU-Kommission

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Neue bulgarische Bewerberin für das Amt der Kommissarin für Humanitäre Hilfe: Kristalina Georgiewa. Foto: reu

Weltbank-Vize- präsidentin Georgiewa soll nach Brüssel. | Antritt neuer EU-Kommission erneut verschoben. | Brüssel. Die Kraftprobe um die neue EU-Kommission erreichte am Dienstag ihren zumindest vorläufigen Höhepunkt: Die unter Beschuss geratene bulgarische Kandidatin Rumiana Jelewa erklärte nach massiver Kritik aus drei großen Parlamentsfraktionen ihren Rücktritt "aus persönlichen Gründen". Bulgariens Regierungschef Bojko Borissow präsentierte umgehend die bisherige Vizepräsidentin der Weltbank, Kristalina Georgiewa, als Ersatzfrau für die künftige Kommission unter Präsident Jose Manuel Barroso. Der hatte sich wie die größte Parlamentsfraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) bis zuletzt hinter Jelewa gestellt. | Analyse: Neuerlicher Fehlstart für Jose Manuel Barroso


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Nach deren Rückzug erklärte er, dass er ihre "persönliche Entscheidung" respektiere. Der bulgarischen Regierung dankte er für die rasche Reaktion bei der Nachnominierung Georgiewas. Die bekomme bis 3. Februar Zeit, sich auf ihre Anhörung vorzubereiten, erklärte EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek. Die Abstimmung über die Annahme von Barrosos künftigem Team solle am 9. Februar stattfinden, wenn nicht noch etwas dazwischenkomme. Der bisher für Anfang Februar geplante Amtsantritt der neuen EU-Kommission verzögert sich damit erneut.

"Unfaire Behandlung"

Jelewa hatte in einem Schreiben an Borissow als Grund für ihren Rückzug angegeben, dass sie im EU-Parlament "keine unparteiische Behandlung und Beurteilung" mehr zu erwarten habe. Den Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen (S&D) warf sie vor, ihr mit Vorurteilen begegnet zu sein. Die Bulgarin war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, nachdem sie bei ihrer Anhörung als geplante Kommissarin für Humanitäre Hilfe keinen hilfreichen Beitrag zur Aufklärung von Vorwürfen über angebliche Firmenbeteiligungen leisten konnte und inhaltliche Schwächen zeigte.

Jelewa sei das "Opfer eines politischen Kleinkriegs" geworden, bedauerte EVP-Fraktionschef Joseph Daul. Sie sei "von allen Vorwürfen die Integrität betreffend vollständig reingewaschen worden", erklärte EVP-Vize Othmar Karas nach einer Überprüfung durch den juristischen Dienst. Jelewa habe dem Wunsch eines großen Teils des EU-Parlaments entsprochen, meinten dagegen S&D-Vizechef Hannes Swoboda und SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried.

Kritik an Kroes

Im zuständigen Entwicklungsausschuss hatte es offenbar eine Mehrheit gegen die Bulgarin gegeben. Offen ist noch, ob sie auch als Außenministerin ihres Landes zurücktreten muss. Borissow erklärte, er wolle sie halten; zuletzt tauchten aber neue Vorwürfe über nicht gemeldete Firmenbeteiligungen auf.

Die endgültige Entscheidung über die Zukunft der anderen 25 Kommissionskandidaten falle Donnerstagvormittag, sagte Buzek. Dabei dürfte sich keine Ablehnung eines S&D-Kandidaten durch die EVP im Gegenzug für die Demontage Jelewas mehr abzeichnen. Der vorab kritisierte slowakische Kandidat Maros Sefcovic konnte bei seiner Anhörung am Montagabend überzeugend auftreten und Vorwürfe wegen angeblicher Vorbehalte gegenüber Roma entkräften.

Auffällig war jedoch die massive EVP-Kritik an der liberalen Kandidatin Neelie Kroes. Sie sei bei ihrer Befragung als designierte Kommissarin für Digitale Agenda in der Vorwoche "schlecht vorbereitet" gewesen und habe "demonstratives Desinteresse" gezeigt, hieß es. Auch bei einer neuerlichen Befragung durch die Koordinatoren der Fraktionen habe sie nicht überzeugen können, meinte der ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig. Sein Fraktionskollege Werner Langen, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe, erklärte: "Kroes ist für diese Aufgabe nicht die richtige Person."